00:00:04 Rolle des Datenwissenschaftlers in supply chains.
00:01:33 Vergleich von Data-Mining- und Data-Science-Trends.
00:04:14 Vermarktung von Data-Science-Tools an Universitäten.
00:04:14 Programmierfähigkeiten vs. Schaffung von Geschäftswert.
00:06:37 Lokads Wechsel zu ‘Supply Chain Scientists’.
00:08:01 Aufgaben eines Supply Chain Scientist.
00:09:50 Gemeinsame Aufgaben von IT und Supply Chain Scientist.
00:11:58 Supply Chain Scientists und Rolle der Datenextraktion.
00:14:19 Fallstricke beim Verlassen auf statistische Toolkits.
00:16:29 Die wachsende Rolle von Daten im Leben.
Zusammenfassung
Kieran Chandler und Joannes Vermorel diskutieren die entscheidende Rolle von Datenwissenschaftlern im supply chain management. Ihre Unterhaltung hebt hervor, dass diese Fachleute den Wert aus Geschäftsdaten extrahieren müssen, und warnt vor dem Trend, Programmier- und statistische Fähigkeiten zu überbewerten. Vermorel betont die Bedeutung von praktischem Wissen und Geschäftssinn und mahnt zur Vorsicht vor Überkonfidenz in technischen Fähigkeiten. Er führt die Rolle der ‘Supply Chain Scientists’ ein, die damit betraut sind, Daten zu extrahieren und zu interpretieren, um Geschäftsprobleme zu lösen, im Gegensatz zu IT-Rollen, die sich auf die Systemwartung konzentrieren. Ihr Dialog verdeutlicht die Herausforderungen in der universitären Ausbildung, indem er auf die Knappheit realer supply chain Daten und die Überabhängigkeit von Programmiersprachen und statistischen Rahmenwerken hinweist.
Erweiterte Zusammenfassung
Das Gespräch zwischen Kieran Chandler und Joannes Vermorel konzentriert sich auf die wachsende Rolle und Bedeutung von Datenwissenschaftlern im kaufmännischen Bereich, speziell in der supply chain Branche. Chandler unterstreicht die steigende Nachfrage nach Datenwissenschaftlern und beschreibt sie als ein Phänomen, das “wie ein Lauffeuer über die Branche fegt.” Er stellt fest, dass diese Nachfrage, die vor fünf Jahren noch nicht so ausgeprägt war, sich so schnell entwickelt, dass sie die Kapazitäten der Universitäten übersteigt, genügend Absolventen hervorzubringen, um diese Positionen zu besetzen.
Vermorel bringt seine Sichtweise zu diesem Wandel ein, indem er beobachtet, dass Unternehmen beginnen, den inhärenten Wert ihrer Daten zu schätzen und folglich den Bedarf an Personen erkennen, die in der Lage sind, diesen Wert zu erschließen. Dennoch weist er auch auf das zyklische Muster dieses Trends hin und vergleicht ihn mit dem “data mining”-Rummel der 90er Jahre. Er spekuliert, dass die derzeitige Faszination für Datenwissenschaftler an das frühere Interesse an “data miners” erinnert, weshalb er sie als “data miner version 2” bezeichnet.
Vermorel erörtert den Aufstieg und Fall von Data-Mining-Unternehmen in den 90er Jahren und deutet eine warnende Geschichte an. Er erinnert sich an das Aufkommen von Hunderten von Unternehmen während der Data-Mining-Ära, die Werkzeuge für Data Mining bereitstellten. Doch die meisten dieser Unternehmen verschwanden schließlich, was Zweifel am aktuellen Aufschwung von Data-Science-Tool-Anbietern aufkommen lässt. Vermorel sieht eine Korrelation zwischen diesen beiden Perioden und deutet auf ein möglich wiederkehrendes Muster von Aufstieg und Fall im gegenwärtigen Data-Science-Trend hin.
Interessanterweise betont Vermorel, dass sein Unternehmen Lokad darauf verzichtet, den Begriff “data scientist” zu verwenden, und stattdessen “Supply Chain Scientist” bevorzugt. Diese Präferenz spiegelt seine Überzeugung wider, dass das Verständnis des Geschäftskontexts und des Mehrwerts über rein mathematische und Programmierfähigkeiten hinaus von Bedeutung ist. Er warnt davor, dass technische Kompetenz zwar wichtig ist, aber nicht automatisch in der Lage ist, Geschäftswert innerhalb von supply chains zu schaffen.
Außerdem spricht Vermorel über die Werbestrategie der aktuellen Data-Science-Tool-Anbieter. Er hebt ihr aggressives Marketing an Universitäten hervor, insbesondere durch Open-Source-Toolkits, die gut zum generellen Denkansatz der Akademia passen. Dennoch gibt er eine Warnung: Ein durchschlagender Erfolg im Universitätsmarketing garantiert nicht, dass das Werkzeug in realen Geschäftsumgebungen auch zu vorteilhaften Ergebnissen führt.
Vermorel betont die Notwendigkeit, dass Datenwissenschaftler nicht nur Daten analysieren, sondern durch ihre Erkenntnisse auch echte geschäftliche Veränderungen herbeiführen. Die Herausforderung besteht darin, dass Datenwissenschaftler zwar in der Lage sind, Daten zu untersuchen und Ergebnisse zu präsentieren, aber Schwierigkeiten haben, diese Änderungen umzusetzen, da sie den Status quo stören könnten. Es geht um mehr als nur um Konflikte bei operativen Entscheidungen; es ist die grundlegende Frage, ob der Datenwissenschaftler wirklich befugt ist, zu handeln und dem Unternehmen Mehrwert zu liefern.
Des Weiteren berührt die Diskussion die Rolle eines “Supply Chain Scientist”, ein Begriff, der bei Lokad verwendet wird. Die Aufgabe eines Supply Chain Scientist besteht laut Vermorel darin, umsetzbare Entscheidungen im Zusammenhang mit der supply chain zu treffen, wie beispielsweise die Bestellmenge zu bestimmen. Diese Entscheidungen sollten umsetzbar, praxisnah und profitabel sein. Im Gegensatz zu einem data scientist übernimmt ein Supply Chain Scientist die Verantwortung für den Geschäftswert seiner oder ihrer Vorschläge. Dies erfordert ein Verständnis von Unternehmenssystemen und dem Zusammenspiel von Daten mit der Software und den Personen, die diese bedienen. So wird ein umfassendes Verständnis des zu lösenden Problems gewährleistet.
Die Aufgabe eines Supply Chain Scientist beinhaltet das Verstehen der extrahierten Daten, den Aufbau eines Optimierungsmodells und das Abwägen von Komplexität und Genauigkeit. Vermorel erkennt an, dass die Komplexität der realen Welt, insbesondere in supply chains, perfekte mathematische Modellierungen unpraktisch macht. Stattdessen müssen Supply Chain Scientists auf Annäherungen und Heuristiken zurückgreifen, um Probleme effektiv zu lösen. Sie müssen das Gesamtbild betrachten und ihm treu bleiben.
Chandler stellt dann die Rolle der IT-Abteilungen vor und fragt, ob diese die Verantwortung für die Software und die Mitarbeiter übernehmen sollten, da sie in der Regel die Softwaresysteme implementieren und warten.
Diese Frage deutet auf eine Spannung zwischen den operativen, technischen und strategischen Rollen innerhalb einer Organisation hin.
Das Gespräch untersucht in erster Linie die unterschiedlichen Verantwortlichkeiten zwischen Information Technology (IT) und Supply Chain Scientists sowie die Herausforderungen, denen Datenwissenschaftler in der heutigen Landschaft gegenüberstehen.
Vermorel argumentiert, dass IT und Supply Chain Scientists innerhalb einer Organisation getrennte Verantwortlichkeiten tragen. Er vergleicht die Rolle der IT mit einer Wartungsfunktion, die den konstanten und reibungslosen Betrieb von Systemen und Prozessen sicherstellt. Die Aufgabe der IT besteht darin, jeden Moment den Betrieb aufrechtzuerhalten und die technischen Details zur Sicherung der Systemverfügbarkeit und -sicherheit zu managen.
Im Gegensatz dazu geht es bei der Rolle eines Supply Chain Scientist laut Vermorel nicht um Wartung. Stattdessen dreht sich ihre Aufgabe um data extraction und Interpretation. Sie müssen sicherstellen, dass die verwendeten Daten ein korrektes Verständnis der Geschäftssituationen vermitteln und dass die abgeleiteten Lösungen zu profitablen Ergebnissen führen. Sie müssen sich nicht um die technischen Details kümmern, da ihr Hauptziel darin besteht, Geschäftsprobleme durch eine genaue Interpretation der Daten zu lösen.
Chandler lenkt das Gespräch auf den offensichtlichen Fehlbestand an Fähigkeiten zur Datenextraktion und -aufbereitung bei Datenwissenschaftlern, obwohl diese wesentliche Bestandteile ihres Berufs sind. Vermorel stimmt zu und bemerkt, dass universitäre Kurse und Bootcamps sich weitgehend auf Programmiersprachen wie Python und R konzentrieren und dabei die praxisnahen Aspekte der Arbeit vernachlässigen.
Vermorel erklärt, dass Universitäten aufgrund von Zugänglichkeits- und Vertraulichkeitsbedenken besser in der Lage sind, bestimmte Aspekte zu vermitteln. Supply chain Daten großer Unternehmen sind aufgrund von Datenschutzproblemen nicht leicht für Trainings zugänglich, während Open-Source-Software und statistische Rahmenwerke leichter verfügbar sind. Infolgedessen schließen Studierende oft ihr Studium mit einem tiefen Verständnis von Programmierung und statistischen Toolkits ab, verfügen jedoch über mangelndes praktisches Wissen im Umgang mit realen supply chain Daten.
Vermorel warnt, dass diese Überbetonung von Programmierung und Statistik zu Überheblichkeit bei neuen Datenwissenschaftlern führen könnte. Sie könnten fälschlicherweise glauben, dass diese Fähigkeiten allein ausreichen, um Probleme in der supply chain zu lösen. Doch supply chain management dreht sich nicht nur um Programmierung oder statistische Analysen; es geht darum, die Daten zu verstehen und geschäftlich sinnvoll zu interpretieren. Vermorel mahnt, die Weisheit von traditionellen supply chain Praktikern, die sich auf gesunden Menschenverstand und einfache Werkzeuge wie Excel-Tabellen verlassen, nicht zu missachten.
Volles Transkript
Kieran Chandler: Heute sprechen wir über eine neue Jobrolle, die wie ein Lauffeuer die Branche erobert. Die Rolle eines Datenwissenschaftlers wird immer relevanter in einer Zeit, in der Unternehmen mehr Wert auf Daten legen und daraus relevante Schlüsse ziehen. Vor fünf Jahren hatte kein supply chain Direktor Bedarf an Datenwissenschaftlern. Heute hat sich das jedoch grundlegend geändert, denn die Zahl der Stellenangebote für Datenwissenschaftler wächst scheinbar schneller, als Universitäten sie ausbilden können. Also, Joannes, was hat sich geändert? Warum besteht plötzlich dieser Bedarf an mehr Datenwissenschaftlern?
Joannes Vermorel: Offensichtlich erkennen Unternehmen, dass ihre Daten einen enormen Wert haben. Sobald sie das feststellen, benötigen sie viele Menschen, die diesen Wert aus den Daten extrahieren – und genau das machen Datenwissenschaftler. Interessanterweise ist das jedoch nicht ganz neu. Für diejenigen, die in den 90er Jahren oder vielleicht noch Ende der 90er dabei waren, wurde dafür ein anderer Begriff verwendet – data miners. Man extrahierte Werte aus den Daten. Im Grunde genommen scheint der Datenwissenschaftler also die Version 2 der data miners zu sein oder so ähnlich.
Kieran Chandler: Falls diese data miners heute nicht mehr präsent sind, vermute ich, dass die Ergebnisse nicht allzu gut waren. Vielleicht könntest du uns etwas mehr darüber erzählen und ob wir daraus lernen können, warum es schiefgelaufen ist?
Joannes Vermorel: Es ist sehr interessant, denn man sieht, dass Datenwissenschaftler in supply chain Kreisen äußerst angesagt sind. Es scheint mir, dass ein makroökonomischer Trend besteht, bei dem Phänomene zyklisch auftauchen und wieder verschwinden. Vor zwei Jahrzehnten ging es um Data Mining, und heutzutage dreht sich alles um Data Science. Es ist dasselbe Muster, nur unter einem anderen Namen. Vor zwei Jahrzehnten erlebten wir das Entstehen von Hunderten von Unternehmen, die Werkzeuge für Data Mining bereitstellten, von denen die meisten wieder verschwanden. Heutzutage sehen wir das Aufkommen von Hunderten von Unternehmen, die Data-Science-Tools liefern. Wir sehen auch Data-Science-Berater. Also ja, es gibt einen wahren Kern, aber es gibt auch einen zyklischen Modeeffekt.
Kieran Chandler: Man hört nicht jeden Tag die Worte Data Science und Mode im selben Satz. Was wir hier andeuten, ist, dass die data miners früher einen anderen Namen hatten. Sollen wir also nicht anfangen, die Lokad-Technologie an Universitäten zu verkaufen, damit die nächste Generation von Datenwissenschaftlern, wie auch immer sie heißen mögen, vollständig in der Nutzung des Werkzeugs ausgebildet wird und es vollständig verstehen?
Joannes Vermorel: Das ist durchaus ein Ansatz. Übrigens vermarkten sich alle Unternehmen, die Data-Science-Tools anbieten, aggressiv an Universitäten. Ein einfacher Weg, dies zu tun, ist die Förderung von open source Toolkits, da sie zum generellen Denkansatz der Universitäten passen. Allerdings ist es in erster Linie ein Marketinginstrument. Es ist in gewisser Weise gut, aber es muss nicht Effizienz bedeuten. Nur weil man ein großartiger Mathematiker oder Programmierer wird, bedeutet das nicht, dass dies sofort in der Praxis zu tatsächlichem Geschäftswert in den supply chains führt. Das ist, glaube ich, eine Gefahr, und das ist einer der Hauptgründe, warum wir bei Lokad den Begriff “Supply Chain Scientist” bevorzugen.
Kieran Chandler: Eine Business-first Herangehensweise ergibt für viele supply chain Praktiker Sinn, da sie in ihrer täglichen Arbeit intensiv mit dem Geschäft zu tun haben. Vielleicht gibt es nur in sehr großen Unternehmen eine Ausnahme, wo Datenwissenschaftler von der schieren Datenmenge oder der Komplexität ihrer Probleme überwältigt werden. Aber gibt es einen Haken, der über die Fokussierung auf
ein bestimmtes Geschäftsproblem hinaus?
Eulen und die Reduzierung von lead times und Ähnlichem. Gibt es also einen Haken, der über die Fokussierung auf das richtige Geschäftsproblem hinausgeht?
Joannes Vermorel: Ja, es gibt tatsächlich einen großen Haken. Die Rolle eines Datenwissenschaftlers besteht nicht nur darin, das Geschäft zu analysieren; es geht darum, etwas zu bewirken und in der Lage zu sein, eine Entscheidung zu treffen und umzusetzen, die zu einem echten geschäftlichen Einfluss innerhalb der Organisation führen kann. Das kann heikel sein, denn Datenwissenschaftler können zwar problemlos auf Daten zugreifen und Analysen erstellen, aber wenn es darum geht zu handeln, stellt das oft den Status quo in Frage. Es geht nicht nur um Meinungsverschiedenheiten bei Bestellmengen, sondern um Konflikte, die tiefer gehen. Das größte Scheiternspotenzial liegt darin, wenn der Datenwissenschaftler nicht wirklich in der Lage ist, zu handeln und dem Geschäft Mehrwert zu liefern. Das ist wahrscheinlich der entscheidende Haken, den ich sehe.
Kieran Chandler: Du hast erwähnt, dass es eine Art Gegenbewegung zum Status quo gibt. Ich kann durchaus viel Verständnis für einige der supply chain Praktiker aufbringen, da sie mit Methoden gearbeitet haben, die seit Jahrzehnten funktionieren. Wenn also jemand in Frage stellt, was funktioniert hat und was funktioniert, kann ich verstehen, warum sie den Dingen mit großer Skepsis begegnen. Du hast erwähnt, dass wir bei Lokad Supply Chain Scientists und nicht Datenwissenschaftler haben. Könntest du uns vielleicht etwas mehr über sie erzählen und warum sie einen anderen Namen tragen?
Joannes Vermorel: Ich denke, der andere Name spiegelt unseren Ansatz bei der Problemlösung wider. Unser Engagement gilt der supply chain. Ein Supply Chain Scientist ist jemand, der echte, umsetzbare Entscheidungen treffen sollte, beispielsweise wie viele Einheiten man sofort bestellen muss. Diese Entscheidungen sollten umsetzbar, praxisnah und profitabel sein. Es geht darum, dass jemand Verantwortung für den Geschäftswert seiner oder ihrer Vorschläge übernimmt. Diese Verantwortung umfasst tatsächlich vieles.
Um es in den richtigen Kontext zu setzen, gehen wir rückwärts. Die Entscheidung ist das Endspiel, aber wenn man von hinten beginnt, fängt alles mit Daten an. Die Daten stammen aus Unternehmenssystemen, aber sie ergeben nur durch die Augen derjenigen Sinn, die die Software betreiben. Es geht also nicht nur um Software; es ist Software plus Menschen. Der Supply Chain Scientist muss ein sehr gutes Verständnis dafür haben. Er muss das zu lösende Problem begreifen, die extrahierten Daten verstehen und anschließend ein Optimierungsmodell irgendeiner Art erstellen.
Es gibt einen trade-off zwischen Komplexität und Präzision. Die reale Welt ist unglaublich komplex, und supply chain sind da keine Ausnahme. Es ist nicht möglich, perfekte mathematische Modellierung zu erreichen, weshalb man approximieren und Heuristiken verwenden muss, die im Grunde funktionierende Rezepte sind. Der Supply Chain Scientist muss all diese Aspekte zusammenführen, um echte Einsparungen zu erzielen – nicht nur in Prozent, sondern in tatsächlichen Dollar. Er muss sich diesem Gesamtbild verpflichten. Darum geht es bei einem Supply Chain Scientist.
Kieran Chandler: Okay, aber du hast erwähnt, dass ein Supply Chain Scientist für die Software und die Menschen verantwortlich sein sollte. Was ist mit den IT-Abteilungen? Sollten sie nicht dafür verantwortlich sein? Schließlich sind sie es, die die Software implementiert haben und oft auch diejenigen, die sie entwickeln.
Es scheint, als würde eine Menge Verantwortung auf die Schultern eines einzelnen Supply Chain Scientist gelegt. Erwartest du ein Wunder?
Joannes Vermorel: Ja, die Verantwortung ist ziemlich enorm. Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied. Ich glaube, dass die Hauptaufgabe der IT darin besteht, sicherzustellen, dass das System betriebsbereit ist. Die IT muss den laufenden Betrieb gewährleisten und dafür sorgen, dass alles jede Sekunde funktioniert. Der Supply Chain Scientist hat eine andere Verantwortung. Diese Person ist nicht dafür zuständig, dass alles ständig läuft.
Kieran Chandler: Also, was genau ist die Verantwortung eines Supply Chain Scientist?
Joannes Vermorel: Die Verantwortung eines Supply Chain Scientist besteht darin, Daten zu extrahieren und sie zu verstehen. Es ist eine völlig andere Aufgabe. Diese Person muss sich nicht mit all den technischen Details auseinandersetzen, die nötig sind, um etwas am Laufen, in Betrieb und sicher zu halten. Das ist die Zuständigkeit der IT, was in der Tat sehr anspruchsvoll ist. Das Engagement des Scientist besteht darin, sicherzustellen, dass das Verständnis korrekt ist. Die Geschäftslösung, die aus diesem Verständnis entsteht, muss profitabel sein, indem sie ein Problem präzise identifiziert, das das Unternehmen tatsächlich lösen muss.
Kieran Chandler: Es scheint, dass die Datenextraktion und -aufbereitung kritische Aufgaben sind. Allerdings werden Data Scientists in diesen Aspekten nicht ausreichend geschult? Die meisten Data-Science-Kurse und Bootcamps drehen sich ums Programmieren in Sprachen wie Python und R.
Joannes Vermorel: Das ist eine ausgezeichnete Frage. Universitäten glänzen in manchen Bereichen und sind in anderen schwächer. Seien wir realistisch: Um Daten zu verstehen, braucht man zunächst echte Daten. Die meisten großen Unternehmen mit umfangreichen supply chain teilen ihre Daten nicht mit Universitäten. Daher nutzen diese als Lehrmaterial das, worauf sie Zugriff haben. Der Zugang zu Open-Source-Software ist viel einfacher als der Zugang zu vertraulichen supply chain Daten.
Kieran Chandler: Es wird viel über personenbezogene Daten diskutiert, ähnlich wie bei der DSGVO in Europa. Es erfordert erhebliche Anstrengungen von allen, um den Vorgaben gerecht zu werden. Das ist zwar nebensächlich, macht die Situation aber komplizierter. Universitäten möchten beispielsweise Menschen in den schwierigsten Aufgaben ausbilden, in denen sie den größten Mehrwert liefern können, aber das ist nicht einfach. Daher greifen Universitäten viel eher auf Programmiersprachen und statistische Frameworks zurück, weil diese zugänglicher und mathematischer sind. Es ist zudem einfacher, Studierende in diesen Fächern zu testen, was als Professor sowohl das Lehren als auch das Bewerten der Studierenden erfordert. Das setzt voraus, dass man etwas lehrt, bei dem eine Bewertung möglich ist. Es ist eine seltsame Einschränkung, aber sie beeinflusst sicherlich, was man an einer Universität lehren kann.
Joannes Vermorel: Nun, das Hauptproblem, das ich bei diesem Fokus auf statistische Toolkits sehe, ist, dass er zu übermäßiger Selbstsicherheit führen kann. Es ist von Vorteil, zu wissen, wie man programmiert, und fließend in Statistik zu sein. Sicherlich hilft das, das ist nicht negativ. Aber es bringt ein subtiles Problem mit sich. Es kann dazu führen, dass Menschen zu selbstsicher werden und glauben, dass Programmierkenntnisse, das Verständnis von Statistik und Mathematik der Schlüssel zur Lösung von supply chain Problemen sind.
Und hier liegt eine gewisse Weisheit bei vielen supply chain Praktikern, die oft sehr low-tech sind. Sie versuchen, am gesunden Menschenverstand festzuhalten, und bleiben bei ihrer Excel-Tabelle. Darin liegt Weisheit, denn sie orientieren sich an dem, was wirtschaftlich sinnvoll ist. Wenn der einzige Grund, warum man am gesunden Menschenverstand festhält, darin besteht, dass einem das Wissen über Statistik und Programmierung fehlt, ist das nicht ideal. Aber andererseits macht es einen nicht automatisch zum Experten im supply chain, wenn man nur Statistik und Programmierung beherrscht.
Nur weil man in diesen Bereichen versiert ist, bedeutet das nicht automatisch, dass man Lösungen entwickelt, die zusätzliche Euro oder Dollar einbringen. Deshalb glaube ich, dass dies die größte Gefahr darstellt. Wir produzieren jetzt Armeen von Menschen, die häufig unter übermäßiger Selbstsicherheit leiden. Programmieren ist ein Mittel zum Zweck, nicht ein Selbstzweck.
Kieran Chandler: Das ist eine aufschlussreiche Perspektive. Danke, dass du Licht in das Thema Data Scientists und, in der Tat, Supply Chain Scientists gebracht hast. Es ist ein Thema, das angesichts der überwältigenden Menge an Daten, die in unserem täglichen Leben gesammelt werden, immer relevanter wird. Danke, dass du dir heute die Zeit genommen hast.
Joannes Vermorel: Danke, Kieran.
Kieran Chandler: Und danke an unsere Zuhörer, dass ihr euch die heutige Episode angehört habt. Wir sind sehr bald mit einer neuen Folge zurück. Bis dahin, stellt weiter eure Fragen und schickt uns eure Gedanken. Vielen Dank fürs Zuschauen, und wir sehen uns ganz bald wieder. Tschüss fürs Erste.