00:00:03 Entwicklung der supply chain Software-Benutzeroberflächen.
00:00:44 Begrenzte Zukunft von 3D-Oberflächen in Unternehmenssoftware.
00:02:19 Vergleich zukünftiger Benutzeroberflächen mit stiller Anti-Spam-Software.
00:04:02 Ausbalancieren von Produktivität und Mitarbeiterengagement bei der Software-Nutzung.
00:05:48 Zukunft von supply chain Benutzeroberflächen und Vorteilen der Automatisierung.
00:08:00 Vertrauen in KI-Prognosen und die Rolle von Metriken.
00:08:18 Perspektiven: Endnutzer und Softwareunternehmen.
00:10:57 Kreuzentropie im maschinellen Lernen.
00:12:13 Komplexe Metriken, Vorteile der Fokussierung auf Ausreißer.
00:13:45 Automatisierte supply chain Systeme und ihre Herausforderungen.
00:16:02 IDE-Konzept in der supply chain-Modellierung.
00:16:38 Bedeutung von “Correctness by design”, Kosten von Versuch und Irrtum.
00:17:41 Envision: Programmiersprache für die supply chain-Modellierung.
00:18:00 Envisions Funktionen: Auto-Vervollständigung, statische Code-Analyse.
00:19:06 Programmierung statt visueller Elemente.

Zusammenfassung

In dem heutigen Interview diskutieren Kieran Chandler und Joannes Vermorel den Fortschritt der Benutzererfahrung in supply chain software. Vermorel erklärt, warum 3D-Oberflächen nicht eingeführt werden, und führt dabei menschliche Anatomie sowie praktische Einschränkungen an. Er schlägt vor, dass sich die Zukunft auf Praktikabilität und Unsichtbarkeit konzentrieren sollte, wobei er Parallelen zur Anti-Spam-Software zieht. Chandler hinterfragt die Vertrauenswürdigkeit von Software, die minimale Interaktion erfordert, während Vermorel die Bedeutung von Effizienz und Einfachheit betont. Beide kritisieren die übermäßige Interaktivität der Software und befürworten eine End-to-End-Automatisierung bei Prognosen. Vermorel legt besonderen Wert auf die Erkennung von Ausreißern und die Konsistenz in forecasting engines. Er erörtert die komplexe Natur der Prognosemetriken und die Bedeutung von Correctness by design. Zur Steigerung der Produktivität in supply chain management stellt Vermorel den Einsatz von smart widgets in Aussicht.

Erweiterte Zusammenfassung

Kieran Chandler, der Moderator, und Joannes Vermorel, der Gründer von Lokad, führen einen Dialog über die Entwicklung der Benutzererfahrung, insbesondere der Benutzeroberflächen in supply chain software. Chandler führt in das Thema ein, indem er erwähnt, dass, sofern man kein Software-Ingenieur ist, die Benutzeroberfläche der Hauptbestandteil der Software ist, mit der man interagiert. Er bringt die beliebte hollywoodsche Darstellung zukünftiger Benutzeroberflächen zur Sprache, wie im Film Minority Report, in dem Tom Cruise mit einer 3D-Umgebung interagiert. Allerdings veranlasst die Tatsache, dass diese Vision von 2002 nicht Wirklichkeit geworden ist, Chandler dazu, Vermorel nach der Zukunft der Benutzeroberflächen zu befragen.

Als Antwort erklärt Vermorel, dass 3D-Benutzeroberflächen in Lokad oder in irgendeiner anderen Unternehmenssoftware in naher Zukunft nicht eingeführt werden. Seiner Meinung nach liegt der Grund nicht in einer technologischen Einschränkung, sondern allein in der menschlichen Anatomie. Er vertritt die Auffassung, dass Menschen Oberflächen überwiegend zweidimensional wahrnehmen. Obwohl Menschen zwei Augen haben und etwas Tiefenwahrnehmung besitzen, behauptet Vermorel, dass eine dritte Dimension dem Verständnis der Welt keinen wesentlichen Mehrwert bringt. Zudem weist er auf die praktischen Unzulänglichkeiten der 3D-Interaktion hin und betont, wie ermüdend es wäre, Tom Cruises Aktionen in Minority Report über einen längeren Zeitraum nachzuahmen. Als Beispiel nennt er 3D-Mäuse, die trotz ihrer Erfindung vor etwa 40 Jahren nie breite Akzeptanz fanden, weil sie körperlich zu anstrengend in der Anwendung sind.

Darüber hinaus schlägt er vor, dass die Zukunft der Benutzeroberflächen wahrscheinlich dem widerspricht, was die meisten erwarten, und sich mehr auf Praktikabilität als auf Spektakel konzentriert. Vermorel verwendet Anti-Spam-Software als Metapher. Er schätzt diese Software für ihren stillen, gewissenhaften Betrieb, der Spam aus Postfächern entfernt, ohne dass die Nutzer bemerken, dass sie existiert. Er sieht dies als Modell für die Zukunft der Benutzeroberflächen, bei der unauffällige und nahezu unsichtbare, maschinelles Lernen betriebene Software die Benutzerbelastung und Unterbrechungen reduziert.

Chandler stellt diesen Ansatz jedoch aus der Perspektive eines Unternehmens in Frage und fragt, wie Unternehmen Software vertrauen können, mit der ihre Mitarbeiter kaum interagieren. Vermorel erkennt das Dilemma an, weist jedoch darauf hin, dass Unternehmen für die Zeit ihrer Mitarbeiter bezahlen und jede mit Software verbrachte Minute letztlich Kosten verursacht. Er argumentiert, dass eine Benutzeroberfläche, die soziale Netzwerke imitiert, zwar angenehm und interaktiv sein kann, aber auch zu mehr Unterbrechungen und geringerer Produktivität führt. Dementsprechend schlägt Vermorel vor, dass die Zukunft der Benutzeroberflächen Effizienz, Einfachheit und Minimalismus bevorzugen sollte.

Das Gespräch beginnt mit einer Kritik an der weit verbreiteten Praxis, Mitarbeitern interaktive Software bereitzustellen, was kontraproduktiv sein kann. Vermorel argumentiert, dass, obwohl Kaffeepausen und Brainstorming mit Kollegen für ein ausgewogenes Arbeitsumfeld wichtig sind, ein Zuviel davon problematisch sein kann und Unternehmen ihren Mitarbeitern vertrauen müssen, damit echte Arbeit erledigt wird. Laut Vermorel kann Software, die ständige Interaktion erfordert, insbesondere im Bereich des supply chain management, die Produktivität beeinträchtigen, da fortwährende Interaktion mit Anwendungen oft nicht zu produktiven Ergebnissen führt.

Vermorel geht anschließend auf die Natur der Benutzeroberflächen von supply chain software ein, die oftmals starr und trocken sind. Derzeit versuchen Softwareentwickler, diese durch interaktive und kollaborative Funktionen ansprechender zu gestalten. Dieser Ansatz führt jedoch, so Vermorel, häufig zu Zeitverschwendung, da Mitarbeiter unter Umständen ganze Tage damit verbringen, Prognosen für Hunderte oder Tausende von Produkten anzupassen. Dies schmälert die Produktivität erheblich und verbessert trotz scheinbarer Interaktivität und Engagement nicht zwangsläufig den Unternehmenserfolg.

Er schlägt eine alternative Sichtweise vor, wonach End-to-End-Automatisierung als das angestrebte Ziel betrachtet wird, anstatt interaktiver Prognosen. Dies bedeutet, dass die Prognose im supply chain management vollständig automatisiert sein sollte, sodass Mitarbeiter produktiver zur Lösung beitragen können, anstatt in repetitiven Aufgaben festzustecken.

Chandler fragt daraufhin, wie Unternehmen einem vollständig automatisierten System vertrauen können. Vermorel antwortet, dass sich Unternehmen darauf konzentrieren sollten, Ausreißer zu identifizieren und mit ihnen umzugehen, anstatt sich zu sehr in die Details der Metriken der Prognosesoftware zu vertiefen. Aus Sicht eines Unternehmens ist es entscheidend, nach abweichendem Verhalten in den Prognosen zu suchen, ähnlich wie man einen Spamfilter auf falsch klassifizierte E-Mails überprüft.

Aus der Perspektive eines Softwareunternehmens erläutert Vermorel, dass der Fokus darauf liegen sollte, die Konsistenz der Prognose-Engine über mehrere Datensätze aus verschiedenen Unternehmen und Zeiträumen zu verbessern. Backtesting wird ebenfalls als wertvolle Methode zur Verfeinerung des Prognoseprozesses hervorgehoben.

Vermorel beginnt mit der Diskussion über die Komplexität der Prognosemetriken, die seiner Ansicht nach das Herzstück der supply chain software bilden und etwa 50 % ihrer Komplexität ausmachen. Die Software umfasst Hunderte dieser Metriken. Er erklärt jedoch, dass eine vollständige Offenlegung dieser Metriken an die Nutzer eher zu Verwirrung als zu Klarheit führen könnte, bedingt durch ihre schiere Menge und Komplexität. Deshalb empfiehlt er, dass sich die Nutzer vielmehr auf die vom System generierten Entscheidungen konzentrieren sollten – insbesondere auf die Ausreißer, also jene Entscheidungen, die offensichtlich falsch erscheinen. Diese Ausreißer verdienen sofortige Aufmerksamkeit, da sie aus supply chain Sicht am ehesten kostspielig sein können.

Das Gespräch wendet sich dann der Zukunft der Software zu und der Frage, ob sie in einem ‘vollautomatisierten’ Modus arbeiten könnte, ähnlich wie Anti-Spam-Software. Vermorel betont, dass supply chains von Natur aus komplexer sind als Spamfilter, da sie verschiedene menschliche, maschinelle und softwarebezogene Komponenten umfassen. Daher ist eine Einheitslösung für automatisierte Software unwahrscheinlich. Er ist der Ansicht, dass die Automatisierung des komplexen supply chain management möglich wäre, wenn künstliche Intelligenz das Niveau menschlicher Intelligenz erreicht oder übertrifft, räumt jedoch ein, dass ein solches Szenario noch in weiter Ferne liegt.

In diesem Zusammenhang enthüllt Vermorel, dass der Prozess ’non-Hollywood-stil’ ist – ein Hinweis auf den Mangel an Glamour. Das Erstellen von Code ist im supply chain management entscheidend. Dennoch ist es wichtig, Correctness by design zu erreichen, da Versuch und Irrtum in diesem Bereich teuer werden können. Vermorel schlägt eine Programmierumgebung vor, die Correctness by design fördert, und berichtet, dass Lokad eine domänenspezifische Programmiersprache namens Envision entwickelt hat, welche durch statische Code-Analyse Funktionen enthält, die Correctness by design ermöglichen.

Vermorel sieht die Zukunft der Benutzeroberflächen darin, smarte Widgets zu entwickeln, um die Produktivität und Effizienz von Supply Chain Scientist zu steigern – einer Ressource, die sowohl knapp als auch kostspielig ist. Er stellt diese Vision den hollywoodschen 3D-Benutzeroberflächen gegenüber, die den visuellen Reiz und die Show in den Vordergrund stellen, anstatt auf praktische Benutzerfreundlichkeit und Funktionalität zu setzen.

Vollständiges Transkript

Kieran Chandler: In der heutigen Folge werden wir die Entwicklung der Benutzererfahrung diskutieren, insbesondere wie sich die Benutzeroberflächen in supply chain software verändert haben. Es sei denn, man ist selbst Softwareingenieur, ist die Benutzeroberfläche wahrscheinlich der einzige Teil der Software, mit dem man tatsächlich zu tun hat. Häufig beziehen sich die Leute, wenn sie nach der Zukunft der Benutzeroberflächen gefragt werden, auf Filme wie Minority Report, in dem Tom Cruise in einer ziemlich cool aussehenden 3D-Umgebung gestikuliert. Dieser Film wurde jedoch bereits 2002 veröffentlicht, und es scheint, als kämen wir der Realisierung dieser Vision nicht näher. Also, Joannes, letzten Endes ist Lokad immer noch eine 2D-Umgebung. Wann wird sich das alles denn ändern?

Joannes Vermorel: Seien wir eines klar – dreidimensionale Benutzeroberflächen werden in Lokad und in nahezu jeder Unternehmenssoftware in absehbarer Zeit nicht auftauchen. Der Hauptgrund liegt nicht an der Technologie, sondern allein an der menschlichen Anatomie. Die Wahrnehmung von Benutzeroberflächen ist größtenteils zweidimensional. Ja, man hat zwei Augen und kann etwas Tiefenwahrnehmung besitzen, aber im Wesentlichen ist es eine zweidimensionale Wahrnehmung. Eine dritte Dimension bringt wenig zum Verständnis der Welt hinzu. Wenn es darum geht, das nachzuahmen, was Tom Cruise in Minority Report tut – also mit erhobenen Armen zehn Minuten lang zu stehen – ist das einfach zu ermüdend. Deshalb haben 3D-Mäuse, die vor etwa 40 Jahren erfunden wurden, nie Durchbruch geschafft. Man muss ein Athlet sein, um sie zu benutzen. Die Zukunft der Benutzeroberflächen ist eigentlich das genaue Gegenteil dessen, was die Leute erwarten.

Kieran Chandler: Wenn du mir also meine Träume davon, wie diese zukünftigen Benutzeroberflächen aussehen werden, zunichte machen willst, könntest du uns vielleicht deine Vision davon mitteilen, wie diese Benutzeroberflächen in der Zukunft tatsächlich aussehen? Vielleicht hast du ein Beispiel, das du hier mit uns teilen kannst?

Joannes Vermorel: Das Interessante an der Zukunft ist, dass sie bereits da ist, nur nicht gleichmäßig verteilt. Wenn du einen Blick in die Zukunft werfen möchtest, solltest du dir deine Anti-Spam-Software ansehen. Diese Art von Software filtert all die interessanten Angebote aus seltsamen Ländern, die du nie besucht hast und die dir den Traum vom Reichtum vermitteln. Das Bemerkenswerte ist, wie diese Software dies still und gewissenhaft erledigt. Wenn sie sehr gut ist, merkst du kaum, dass sie existiert. Ein sehr gutes Anti-Spam-Programm leistet seinen Dienst, sodass dein Posteingang sauber bleibt, ohne dass du es wirklich wahrnimmst. Das ist die Zukunft der meisten von maschinellem Lernen gesteuerten Software – sie wird ambient und nahezu unsichtbar sein. Wahrscheinlich ist sie das Gegenteil der sehr coolen dreidimensionalen Benutzeroberfläche, die man in Hollywood-Filmen sieht, denn es gibt nichts zu sehen, also ist sie nicht sehr visuell.

Kieran Chandler: Ich mag den Klang von Anti-Spam auf jeden Fall; es würde sicherlich dazu beitragen, die Zeit, die mit dem Lesen dieser wirklich interessanten Geschäftsvorschläge von nigerianischen Prinzen und Prinzessinnen verschwendet wird, erheblich zu verkürzen. Aber das ist wirklich nur meine Perspektive als Endnutzer. Wie sieht es bei Unternehmen aus? Wie können sie dieser Software vertrauen, wenn sie nie so richtig mit ihr interagieren?

Joannes Vermorel: Das ist ein interessantes Dilemma. Als Unternehmen muss man für die Zeit seiner Mitarbeiter bezahlen, und jede Minute, die sie mit einer Tätigkeit verbringen, verursacht letztlich Kosten. Was erwartest du also von der Software, die deine Mitarbeiter nutzen? Man könnte etwas wählen, das ein wenig wie Facebook ist – sozial, interaktiv und den Menschen gefällt es sehr, aber zugleich voller Unterbrechungen steckt. Es ist fast schon komisch, denn wenn man etwas implementiert, das sehr an ein soziales Netzwerk erinnert, würden die Menschen es zwar sehr genießen.

Kieran Chandler: Wenn man die Leute dafür bezahlt, noch mehr Zeit vor der Kaffeemaschine zu verbringen, erwartet man im Laufe des Tages ein paar Pausen, damit sie sich entspannen, neu organisieren und mit Kollegen brainstormen können. Aber wenn dies konstant der Fall ist, wie soll dann die Arbeit erledigt werden? Unternehmen bezahlen ihre Mitarbeiter für echte Arbeit. Können sie also Software vertrauen, die ständig Interaktion von den Mitarbeitern verlangt? Denn für mich scheint das das Gegenteil von Produktivität zu sein.

Joannes Vermorel: In der Tat gibt es hier ein kleines Dilemma für das Unternehmen. Man sollte einem Stück Software, das ständige Interaktion erfordert, nicht zu sehr vertrauen. Es wirkt kontraproduktiv. Betrachten wir dies nun aus der supply chain Perspektive. Viele dieser Anwendungen waren von Anfang an nicht interessant, insbesondere im Hinblick auf Bedarfsprognose-Software. Die Benutzeroberflächen von supply chain software können recht trocken sein, und obwohl es einen Trend gibt, sie mit kollaborativen Prognosen ansprechender zu gestalten, ist dies nicht so effektiv, wie es scheint.

Kieran Chandler: Kannst du das näher erläutern? Was können wir in Zukunft von diesen Benutzeroberflächen erwarten?

Joannes Vermorel: Obwohl es verlockend klingt, die Nachfrageprognose interaktiver und kollaborativer zu gestalten, wird dies zu einem enormen Produktivitätshemmnis. Stell dir vor, es gäbe Hunderte oder Tausende von Produkten und jeder in der Firma würde den ganzen Tag damit verbringen, sich Kurven anzuschauen, Zeitreihen zu betrachten und an ihnen zu feilen. Auch wenn es interaktiv und sozial erscheint, wird es die Leistung deines Unternehmens nicht verbessern. Für jedes Unternehmen, egal welchen Maßstabs, sollte das Ziel eine durchgängige Automatisierung ohne jegliche Sonderfälle in der Prognose sein, und nicht eine kollaborative Prognose.

Kieran Chandler: Sagst du damit, dass Menschen in diese Prognosen tatsächlich nicht einbezogen werden?

Joannes Vermorel: Genau. Wir wollen eine durchgängige Automatisierung erreichen und alle Produktivitätseinbußen beseitigen. Wenn Menschen etwas tun müssen, sollte es etwas sein, das zur Lösung beiträgt und keine sich wiederholenden Aufgaben.

Kieran Chandler: Aber wie können wir den Ergebnissen vertrauen, wenn Menschen in diese Prognosen nicht einbezogen werden? Wir bräuchten dennoch einige Kennzahlen, um die Software zu bewerten, und jemanden, der diese Kennzahlen überprüft. Wie würde das in der Praxis funktionieren?

Joannes Vermorel: Das ist eine gute Frage. Wir haben hier zwei Perspektiven: die des Endbenutzers und die des Softwareentwicklers beziehungsweise der Firma, die den Code schreibt. Aus der Sicht des Endbenutzers möchte man sich Ausreißer oder abnormales Verhalten ansehen. Genau wie bei deinem anti-spam erstellt man keine Statistiken darüber, wie viele E-Mails korrekt oder fehlerhaft gefiltert wurden. Gelegentlich prüfst du deinen Spam-Ordner auf fehlklassifizierte E-Mails. Ähnlich sucht man in der Nachfrageprognose nach Ausreißern, Prognosen, die übermäßig groß oder zu klein sind. Genau diese gilt es im Auge zu behalten.

Kieran Chandler: Du musst keine Statistiken erstellen, du möchtest einfach alle Ausreißer beseitigen. Nun, aus der Perspektive eines Softwareunternehmens möchtest du, wenn du eine Prognose verbessern willst, nicht den Datensatz eines Unternehmens zu einem bestimmten Zeitpunkt hernehmen und schauen, wie du eine Kennzahl verbessern kannst. Stattdessen willst du alle vorhandenen Datensätze sammeln. Zum Beispiel haben wir über 100 Unternehmen dabei unterstützt, ihre supply chains zu optimieren, sodass wir weit mehr als 100 Datensätze zur Optimierung haben. Du möchtest sicherstellen, dass deine Prognose-Engine konsistent ist und sich konsequent über diesen gesamten Datensatzbestand verbessert, und nicht nur bei einem einzelnen. Außerdem möchtest du nicht nur die massiven Datensätze, sondern auch einen vollständigen Backtest durchführen, indem du in die Vergangenheit von einer Woche, zwei Wochen und so weiter zurückgehst. So gehst du an das Spiel heran, den weltweiten Prognoseprozess zu optimieren.

Joannes Vermorel: Das stimmt. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es den Unternehmen wirklich helfen würde, der Software mehr zu vertrauen, selbst wenn wir diese Kennzahlen mit ihnen teilen könnten. Das Problem ist, dass die heutzutage relevantesten Kennzahlen, wie cross-entropy im deep learning (und seit über einem Jahrzehnt für anti-spam verwendet werden), ziemlich komplex sind. Diese Kennzahlen gelten für probabilistische Vorhersagen und sind den klassischen Kennzahlen wie mittlerem absoluten Fehler oder mittlerem absoluten prozentualen Fehler bei weitem überlegen, die dysfunktional sind und trotzdem noch die Standardpraxis in supply chains darstellen.

Die Herausforderung, der wir uns stellen müssen, ist zweifach. Erstens müssen wir Zahlen kommunizieren, die den meisten Unternehmen völlig fremd sind. Zweitens, wenn du eine Prognose-Engine bauen möchtest, wie wir es bei Lokad gemacht haben, machen die Kennzahlen etwa 50 % des technologischen Aufwands aus. Sie sind nicht nur ein kleines Element am Ende des Entwurfs einer Prognose-Engine; die Kennzahlen stehen im Kern und repräsentieren buchstäblich 50 Prozent der Komplexität.

Das bedeutet, dass wir nicht nur ein paar Kennzahlen haben, sondern buchstäblich Hunderte davon. In der Praxis erweist es sich als wenig hilfreich, diesen Reichtum an Kennzahlen zu teilen, da buchstäblich ein ganzes Buch nötig wäre, um zu erklären, was all diese Zahlen bedeuten. Letztendlich führt das zu noch mehr Verwirrung, als dass es hilfreich wäre. Deshalb schlagen wir in der Regel vor, dass sich Unternehmen, statt darauf zu fokussieren, all diese Kennzahlen zu verstehen, auf die Ausreißer konzentrieren sollten.

Versuche nicht, die Kennzahlen in der Software rückgängig zu machen; das ist sehr kompliziert und nicht unbedingt hilfreich. Konzentriere dich stattdessen auf die Entscheidungen, die als Endergebnis des Systems generiert werden, und auf die Ausreißer, also die Entscheidungen, die offensichtlich falsch sind. Diese bedürfen deiner sofortigen Aufmerksamkeit, denn sie werden dich aus supply chain-Perspektive eine Menge Geld kosten.

Kieran Chandler: Wir erwähnen immer wieder den Begriff “anti-spam”. Wenn die Zukunft der Software wie anti-spam sein soll, liegt die Schwierigkeit darin, dass supply chains von Natur aus viel komplexer sind als nur ein wenig Spam herauszufiltern. Würde das in der Praxis tatsächlich funktionieren? Können wir supply chains tatsächlich auf Autopilot arbeiten lassen?

Joannes Vermorel: Ja und nein. In der Tat ist eine supply chain ein sehr komplexes System, in das viele Menschen, Maschinen und Software involviert sind. Daher gibt es keine Hoffnung, dass ein Stück Software mit den Standardeinstellungen alles kann. anti-spam funktioniert stillschweigend, ohne dass man es einrichten muss, da alle E-Mail-Postfächer ziemlich ähnlich sind. So kann auch ein automatisiertes Setup für anti-spam vorhanden sein. Wenn es jedoch um die Optimierung einer supply chain für ein bestimmtes Unternehmen geht, musst du die Strategie des Unternehmens, finanzielle Anreize, Kundenprobleme und eine Menge anderer Dinge verstehen. Diese Aspekte können von der Software selbst nicht entdeckt werden. Vielleicht ist das in einem Jahrhundert möglich, wenn wir KI auf menschlichem Niveau haben.

Kieran Chandler: Künstliche Intelligenz, etwas, das so klug ist wie ein sehr kluger Mensch oder vielleicht sogar noch klüger, könnte möglicherweise ein vollständig automatisiertes Setup für komplexe supply chains haben. Allerdings sind wir derzeit noch weit von einem solchen Szenario entfernt. Deshalb haben wir bei Lokad diese Supply Chain Scientists. Die Aufgabe des Supply Chain Scientist besteht darin, die supply chain eines Unternehmens auf eine Weise zu modellieren, die sowohl präzise als auch effizient ist. Dies stellt eine Herausforderung in Bezug auf die Benutzeroberfläche dar, denn um dies effektiv zu tun, ist es fast so, als bräuchte man eine integrierte Entwicklungsumgebung. Ist das korrekt?

Joannes Vermorel: Absolut, es ist eine komplexe Situation, und es hat nicht den Hollywood-Glamour, den wir zuvor angedeutet haben. Die Realität ist, dass das Schreiben von Code ein Handwerk ist. Mit guten Werkzeugen kann man es schneller und besser machen. Korrektheit by design ist in der supply chain sehr wichtig. Versuch und Irrtum mag theoretisch verlockend sein, aber in der realen Welt der supply chains ist es extrem kostspielig. Du willst nicht tausende Fehler im Einkauf machen, nur um schließlich den Durchbruch zu erzielen. Das würde Millionen kosten. Deshalb benötigst du eine Programmierumgebung, die dabei hilft, diese Korrektheit by design zu erreichen.

Kieran Chandler: Also, es ist nicht so glamourös, wie es klingt, aber es geht um mehr als nur das Schreiben von Code, oder?

Joannes Vermorel: Genau, es ist nicht Hollywood-Style. Es ist wie das Schreiben von Code. Wir versuchen nicht, ein allgemeines Programmierproblem zu lösen. Wir wollen lediglich das Problem der quantitativen Modellierung von supply chains lösen. Deshalb haben wir unsere eigene domänenspezifische Programmiersprache namens Envision. Envision bietet Funktionen, die darauf ausgelegt sind, dir beim Schreiben des Codes ein gewisses Maß an Korrektheit by design zu bieten. Du kannst mit Funktionen wie Autocomplete produktiver sein und durch statische Codeanalyse viele Grade von Korrektheit by design erreichen. Zum Beispiel kann es erkennen, wenn eine Variable, die du in dein Skript eingefügt hast, keinen Einfluss auf eine supply chain decision hat. Das könnte bedeuten, dass du vergessen hast, einen wirtschaftlichen Faktor in dein Modell einzubinden, oder dass du einfach toten Code entfernt hast.

Kieran Chandler: Also, auch wenn es keine 3D-Benutzeroberfläche wie in Minority Report ist, gibt es eine Zukunft für Benutzeroberflächen in dieser Programmierumgebung?

Joannes Vermorel: Ja, in der Tat. Die Zukunft der Benutzeroberflächen bei Lokad ist darauf ausgerichtet, Supply Chain Scientists – die wertvoll und rar sind – produktiver und effizienter zu machen. Der Fokus liegt nicht auf einer 3D-Benutzeroberfläche, bei der man Dinge verschieben und Diagramme visuell zeichnen kann, sondern auf smarten Widgets in der Programmierumgebung.

Kieran Chandler: Nun, das reicht, um alles abzurunden. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, um mit uns über Benutzeroberflächen der Zukunft zu sprechen. Es war definitiv ein interessantes Gespräch. Es ist wirklich faszinierend, die Hollywood-Vision der Realität mit dem zu vergleichen, was in der Zukunft tatsächlich passieren wird. Vielen Dank, dass du heute eingeschaltet hast. Wie immer sind wir hier, um zu helfen, falls du weitere Fragen zu Benutzeroberflächen hast, und wir sind sehr bald mit einer weiteren Episode zurück. Bis dahin, bis bald.