Q&A zu Bestandsoptimierungssoftware
Unter der Aufsicht von Prof. Dr. Stefan Minner schreiben Leander Zimmermann und Patrick Menzel eine Abschlussarbeit an der Technischen Universität München. Ziel dieser Studie ist es, Bestandsoptimierungssoftware zu vergleichen. Lokad hat ihren Fragebogen erhalten und veröffentlicht mit Erlaubnis der Autoren sowohl ihre Fragen als auch unsere Antworten.
1. Wann haben Sie Ihre Optimierungssoftware auf den Markt gebracht?
Lokad wurde 2008 gegründet, damals jedoch als reine Lösung für die Nachfrageprognose. Wir begannen 2012 mit der End-to-End supply chain optimization .
2. Für welche Unternehmensgrößen ist Ihre Software geeignet?
Wir haben Kunden, die von Ein-Personen-Unternehmen bis zu Firmen mit über 100.000 Mitarbeitern reichen. Allerdings lohnt sich bei einem Lagerwert von unter 500k€ die statistische Optimierung der supply chain häufig nicht.
3. Für ein mittelständisches Unternehmen mit etwa 50-250 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von etwa 10-25 Millionen Euro: Was wäre der Preis Ihres Standard-Softwarepakets?
Dies wäre unser Premier package zum Preis von $2500 pro Monat. Allerdings umfasst das Paket weit mehr als nur Software. Die reine Software macht nur etwa 1/5 unserer Gebühren aus.
Der Großteil der Gebühr fließt in die Bezahlung eines Supply Chain Scientist bei Lokad, der den Account betreut und unseren Technologie-Stack nutzt, um die endgültigen Ergebnisse zu erzielen. Das nennen wir inventory optimization as a service.
4. Ist Ihre Software für verschiedene Branchen geeignet? (z.B. Pharmazie, Metall, perishable Güter, …)
Ja, wir unterstützen vielfältige Branchen, von der Luft- und Raumfahrt bis zur Mode mit frischen Lebensmitteln in der Mitte. Allerdings ist unsere Software in erster Linie ein programmatisches Toolkit, das für die Optimierung der die Quantitative Supply Chain zugeschnitten ist. Obwohl wir viele Branchen ansprechen, bedarf es in der Regel eines Supply Chain Scientist, um die finale Lösung zu entwickeln.
5. Welche Eigenschaften Ihrer Software heben Sie von anderer Optimierungssoftware ab? (Alleinstellungsmerkmal)
Klassische Prognosen und damit verbunden die klassische Theorie der Bestandsoptimierung funktionieren schlecht, überraschend schlecht sogar. Es hat Lokad Jahre gedauert zu erkennen, dass die Hauptforderung – statistisch gesehen – mit den extremen Fällen zusammenhängt, und genau das kostet in Wirklichkeit Geld. Lokad liefert probabilistische Prognosen. Immer wenn Lagerbestand involviert ist, sind probabilistische Prognosen einfach besser als die klassischen.
6. Für welche Computerplattformen ist Ihre Software geeignet? (z.B. Microsoft, Apple, Linux, …)
Lokad ist ein SaaS (Webapp), das auf einer cloud computing Plattform (Microsoft Azure) aufbaut. Unsere Kunden sind sehr vielfältig. Allerdings gibt es im Bereich supply chain immer noch mehr IBM Mainframes als OSX-Setups.
Ohne eine cloud computing Plattform wäre es jedoch sehr unpraktisch, die Machine-Learning-Algorithmen auszuführen, die Lokad routinemäßig einsetzt. Daher ist unsere Software nicht dafür ausgelegt, lokal betrieben zu werden.
7. Bietet Ihr Unternehmen standardisierte oder personalisierte Softwarelösungen an?
Knifflige Frage und subtile Antwort.
Lokad liefert eine verpackte Plattform. Wir sind mandantenfähig: Alle unsere Kunden nutzen dieselbe App. In dieser Hinsicht sind wir stark standardisiert.
Dennoch bietet Lokad eine domänenspezifische Sprache namens Envision. Durch diese Sprache ist es möglich, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. In der Praxis profitieren die meisten unserer Kunden von voll personalisierten Lösungen.
Lokad hat eine Technologie entwickelt, die darauf abzielt, personalisierte supply chain Lösungen zu einem Bruchteil der normalerweise dafür anfallenden Kosten bereitzustellen, indem die Produktivität des Experten gesteigert wird.
8. Falls es sich um eine standardisierte Software handelt, welche Funktionen sind im Standardpaket Ihrer Software enthalten?
Wir verfügen über Dokumentationen, die mehr als 100 Seiten umfassen. Der Übersichtlichkeit halber werden diese hier nicht aufgelistet.
9. Gibt es Add-ons? Falls ja, welche? (z.B. Ersatzteile, …)
Wir haben keine Add-ons im Sinne davon, dass jeder einzelne Tarif – selbst unser kostenloser Tarif – alle Funktionen uneingeschränkt beinhaltet.
10. Für welche Stufen/Ebenen kann Ihre Software das Bestandsmanagement optimieren? (z.B. Fabrik, warehouse, Lieferant, …)
Wir decken nahezu alle supply chain Stufen ab – Lager, Verkaufsstellen, Werkstätten – sowohl für die Vorwärts- als auch für die Rückwärtslogistik.
11. Löst Ihre Software die Probleme optimal oder heuristisch?
Die Informatik lehrt uns, dass nahezu jedes nicht-triviale numerische Optimierungsproblem nur annäherungsweise gelöst werden kann. Selbst etwas so Einfaches wie Bin Packing ist bereits NP-vollständig, und Bin Packing ist weit davon entfernt, ein komplexes supply chain Problem zu sein.
Viele Anbieter – vielleicht sogar Lokad (ich bemühe mich sehr, Marketingsuperlative zu vermeiden) – mögen behaupten, eine “optimale” Lösung zu haben, aber das sollte bestenfalls als Dolus Bonus betrachtet werden; also als akzeptable Lüge, vergleichbar mit TV-Werbespots, die mit unvergesslichen Erlebnissen oder ähnlichen halb lächerlichen Behauptungen prahlen.
Ich empfehle, meinen früheren Beitrag über die Top 10 Lügen der Prognoseanbieter zu lesen. Jeder Anbieter, der ernsthaft behauptet, eine “optimale” Lösung – im mathematischen Sinne – zu liefern, würde entweder lügen oder sich irren.
12. Welche Algorithmen verwendet Ihre Software? (z.B. Silver-Meal, Wagner-Within, …)
Sowohl Silver-Meal als auch Wagner-Within entstammen der klassischen Perspektive, in der zukünftige Nachfrage nicht als willkürliche, nichtparametrische Wahrscheinlichkeitsverteilungen ausgedrückt werden kann. In unserem Verständnis versagen diese Algorithmen darin, zufriedenstellende Antworten zu liefern, sobald Unsicherheit besteht.
Lokad verwendet über 100 verschiedene Algorithmen, von denen die meisten in der wissenschaftlichen Literatur keinen bekannten Namen haben. Spezialisierung ist entscheidend. Die meisten dieser Algorithmen sind nur insofern neu/besser, als dass sie eine überlegene Lösung für eine sehr enge Problemklasse bieten – im Gegensatz zu generischen numerischen Lösungsverfahren.
13. Wo liegen die Grenzen in Bezug auf die Mengen an Eingabedaten, die auf einmal berechnet werden können? (z.B. Frachtdauer, unterschiedliche Produkte, Zeiträume, …)
Die numerischen Grenzen unserer Technologie sind im Vergleich zur tatsächlichen Größe der supply chain Herausforderungen in der Regel absurd hoch. Beispiel: Es können nicht mehr als 2^32 SKUs gleichzeitig verarbeitet werden. Dank cloud computing können wir nahezu unbegrenzte Rechenressourcen nutzen.
Allerdings bedeuten unbegrenzte Rechenressourcen auch unbegrenzte Kosten. Daher haben wir zwar keine festen Grenzen für Dateneingaben oder -ausgaben, achten jedoch darauf, diese Rechenkosten unter Kontrolle zu halten, indem wir die Menge der Rechenressourcen an das Ausmaß der zu bewältigenden Geschäftsherausforderung anpassen.
14. Wie viele Variablen können gewählt werden und wie viele sind vorgegeben? (z.B. Servicegrad, Zeitspanne, Losgröße, …)
Lokad ist um “Envision” herum konzipiert, eine domänenspezifische Programmiersprache, die der supply chain Optimierung gewidmet ist. Diese Sprache bietet programmatische Möglichkeiten, weshalb die harten Grenzen so hoch sind, dass sie in der Praxis irrelevant sind. Unsere Sprache würde beispielsweise nicht mehr als 2^31 Variablen unterstützen.
Allerdings wäre der Umgang mit mehr als 100 heterogenen Variablen gleichzeitig bereits ein außerordentlich kostspieliges Unterfangen aus praktischer Sicht: Jede Variable muss qualifiziert, mit geeigneten Daten versorgt, korrekt in das Gesamtmodell eingebunden usw.
15. Unterstützt Ihr inventory management mehrere supply chain für einen Bestand?
Ja. Es kann mehrere Quellen UND mehrere Verbraucher für einen bestimmten Bestand geben. Lagerbestand kann auch seriell sein: Jede Einheit kann über einzigartige Eigenschaften verfügen, die den Rest der chain beeinflussen. Dieses Szenario findet man beispielsweise in der Luft- und Raumfahrt.
16. Falls ja, können diese supply chain priorisiert/eingestuft werden? (z.B. ABC/XYZ-Produkte)
Ja. Priorisierung ist jedoch in der Regel aussagekräftiger als eine Klassifizierung. Wir raten unseren Kunden dringend davon ab, die ABC analysis zu verwenden, da durch eine derart crud klassifizierte Einordnung viele wertvolle Informationen verloren gehen.
17. Welche Methode der Nachfrageprognose wird implementiert? (z.B. gleitender Durchschnitt, exponentielle Glättung, Winters Methode, …)
Gleitender Durchschnitt, exponentielle Glättung, Holt- und/oder Winters-Methoden – all diese Methoden liefern klassische Prognosen, also Durchschnitts- oder Medianprognosen. Diese Prognosen funktionieren für Bestandsoptimierung in der Regel schlecht, da sie keine wirklich stochastische Zukunftsvision erfassen können. Zudem können sie die Nachfragemuster zwischen SKUs nicht miteinander in Beziehung setzen.
Als Gegenstück zur beschränkten Optimierung verfügt Lokad ebenfalls über mehr als 100 Algorithmen im Bereich der statistical forecasting. Die meisten dieser Algorithmen haben auch in der Literatur keinen verbreiteten Namen. Wiederum ist Spezialisierung entscheidend.
18. Wie viele vergangene Perioden werden zur Berechnung der zukünftigen Nachfrage herangezogen?
Die Vorstellung, dass die vergangene Nachfrage in Perioden dargestellt werden sollte, ist größtenteils falsch. Die Granularität der Nachfrage ist entscheidend: 10 Kunden, die jeweils 1 Einheit bestellen, sind nicht dasselbe wie 1 Kunde, der 10 Einheiten auf einmal bestellt. Unsere Algorithmen basieren in der Regel nicht auf Perioden.
In Bezug auf die Tiefe der Historie versuchen unsere Algorithmen in der Regel, die gesamte verfügbare Geschichte zu nutzen. In der Praxis ist es selten, dass ein Blick weiter als 10 Jahre zurück zu einem Gewinn in den zukünftigen Prognosen führt. Es gibt also keine feste Obergrenze, es ist nur so, dass die Vergangenheit numerisch irrelevant wird.
19. Wird der saisonale Wandel in der Nachfrage in die Prognose einbezogen? (ja/nein)
Ja. Allerdings ist seasonality nur eine der Zyklen, die in der Nachfrage existieren: Wochentag und Tag des Monats sind ebenfalls wichtig und werden berücksichtigt. Zudem haben wir in letzter Zeit Fortschritte bei der quasi-seasonality erzielt: Mustern, die nicht exakt in den gregorianischen Kalender passen, wie Ostern, Chinesisches Neujahr, Ramadan, Muttertag usw.
20. Welche Leistungskennzahlen können analysiert werden? (z.B. Wartezeit, Durchsatzrate, Nicht-Lagerleerwahrscheinlichkeit, Servicegrad, …)
Solange Sie ein Programm zur Darstellung Ihrer Kennzahl schreiben können, sollte dies mit Lokad machbar sein. Wiederum bietet Lokad eine domänenspezifische Programmiersprache, sodass wir von Natur aus flexibel sind. Letztlich gibt es eine Kennzahl, die alles bestimmt: die dollars of error.
21. Unterstützt Ihre Software die Implementierung von Strafkosten? (z.B. Kosten für „Lagerleerheit“, „Erreichen von Kapazitätsgrenzen“, …)
Ja, es ist ein Sonderfall der vielen business drivers, die wir berücksichtigen. Diese Strafkosten können viele numerische Formen annehmen: linear oder nicht, deterministisch oder nicht, etc.
22. Wer sind Ihre drei stärksten Wettbewerber in Ihrem Marktsegment?
Excel, Excel und Excel. Nummer 4 ist Stift+Papier+Ratearbeit.
23. Haben Sie eine Liste von Unternehmen (mittelständisch bis groß), die Ihre Software nutzen?
Siehe unsere customer’s page.