00:00:07 Einführung in den min/max-Inventuransatz.
00:01:45 Vorteile von Min/Max: Einfachheit, Automatisierung.
00:02:29 Einschränkungen von Min/Max: Abschreibungen, fehlende Optimierung.
00:04:39 Problem von Min/Max: zu vereinfachte, SKU-zentrierte Perspektive.
00:07:09 Warum Min/Max an Bedeutung gewann; einfache ERP-Integration.
00:09:20 Einschränkungen von Min/Max im supply chain management.
00:10:58 Überwindung der Min/Max-Einschränkungen: Einstellungen hacken.
00:12:15 Befürwortung moderner Inventursysteme; Schwierigkeiten beim Übergang.
00:14:22 Alternativen zu Min/Max: Priorisierung, nichtlineare Einschränkungen.
00:17:00 Risiken bestimmter Geschäftsentscheidungen.
00:17:25 Min/Max-Ansatz: mögliche Nachteile.
00:18:30 Finanzielle Auswirkungen von schlechter Bestandsverwaltung.
00:19:01 Ratschläge für Manager: über Min/Max hinausgehen.
00:20:43 Abschließende Gedanken.
Zusammenfassung
In einem Interview diskutierte Joannes Vermorel, Gründer von Lokad, den min/max‑Ansatz zur Bestandskontrolle. Der Ansatz verwendet minimale und maximale Lagerbestandsniveaus für eine automatisierte Auffüllung, was die Produktivität steigert, jedoch schwankende Nachfrage außer Acht lässt, was zu Überbeständen und möglichen Inventarabschreibungen führt. Vermorel argumentiert, dass er das supply chain management übermäßig vereinfacht und dabei die Vernetzung des Bestands ignoriert. Trotz dieser Einschränkungen haben seine Einfachheit und die leichte Implementierung zu einer weit verbreiteten Anwendung geführt. Ein Workaround für Diskrepanzen bei den Bestellmengen der Lieferanten wurde vorgeschlagen. Alternativ empfiehlt Lokad einen Ansatz, der den Wert aus der Perspektive des Kunden priorisiert, nichtlineare Einschränkungen berücksichtigt und Entscheidungen auf der prognostizierten zukünftigen Nachfrage basiert.
Erweiterte Zusammenfassung
In diesem Interview bespricht Moderator Kieran Chandler den min/max‑Ansatz zur automatisierten Auffüllung mit Joannes Vermorel, dem Gründer von Lokad, einem Softwareunternehmen, das sich auf die Optimierung von supply chains spezialisiert hat. Der min/max‑Ansatz ist eine einfache, aber weit verbreitete Methode der Bestandsverwaltung.
Vermorel beschreibt die min/max‑Methode als äußerst einfach und umfasst zwei Parameter: die minimalen (min) und maximalen (max) Lagerbestandsniveaus. Der min‑Parameter ist ein Auslöser, der anzeigt, wann eine Stock Keeping Unit (SKU) für eine Auffüllung fällig ist. Der max‑Parameter weist auf das Ziel-Lagerbestandsniveau hin, das angibt, in welcher Menge nachbestellt wird, um den Lagerbestand der SKU wieder aufzufüllen. Dieses System führt zu einem „Sägezahn“-Muster der Bestandsniveaus, bei dem der Lagerbestand allmählich sinkt, bis das min‑Niveau erreicht wird, was eine Auffüllung auslöst, um das max‑Niveau zu erreichen, bevor er erneut abnimmt.
Einer der Hauptvorteile dieses Ansatzes, so Vermorel, ist die Automatisierung. Sobald die min‑ und max‑Parameter für eine SKU definiert sind, generiert das System automatisch Bestellungen, sobald der Lagerbestand den min‑Wert erreicht. Diese Automatisierung kann die Produktivität steigern, indem sie die manuelle Arbeit bei der Überwachung und Bestellung von Lagerbeständen reduziert.
Trotz seiner Einfachheit und der Vorteile der Automatisierung weist Vermorel auf erhebliche Einschränkungen der min/max‑Methode hin. Das System berücksichtigt nicht die Veränderungen der Produktnachfrage im Laufe der Zeit, was potenziell zu unnötigem Lageraufbau bei langsam drehenden oder auslaufenden Produkten führen kann. Der min/max‑Ansatz löst weiterhin Auffüllungen aus, unabhängig davon, ob die Nachfrage nach einem Produkt allmählich nachlässt. Folglich könnten Unternehmen, die diese Methode anwenden, am Ende mit erheblichen Inventarabschreibungen aufgrund von Überbeständen bei Produkten mit sinkender Nachfrage konfrontiert werden.
Daher bietet der min/max‑Ansatz in der Bestandsverwaltung zwar Einfachheit und Automatisierung, weist jedoch auch inhärente Einschränkungen auf. Er berücksichtigt nicht die schwankende Produktnachfrage, was zu potenziellen Inventarabschreibungen führen kann. Außerdem gibt er keine Hinweise zur Festlegung optimaler min‑ und max‑Werte, was möglicherweise ständige manuelle Anpassungen erfordert, um eine optimale Bestandsverwaltung zu erreichen. Diese Defizite deuten darauf hin, dass die ausschließliche Abhängigkeit vom min/max‑Ansatz zu einer suboptimalen Bestandsverwaltung und potenziellem Scheitern führen kann.
Zunächst kritisiert Vermorel den Min/Max‑Inventuransatz, indem er behauptet, dass er die Komplexität des supply chain management übermäßig vereinfacht und die Perspektive künstlich auf eine einzelne SKU (Stock Keeping Unit) einschränkt. Dieser Ansatz veranlasst Unternehmen dazu, sich auf einzelne SKUs zu konzentrieren und dabei die Vernetzung ihres Bestands und die breitere supply chain zu vernachlässigen. Die zentrale Frage lautet nicht, wann und in welcher Menge eine bestimmte SKU nachbestellt werden soll, sondern vielmehr, wo bei begrenzten Ressourcen die Investitionen über das gesamte Sortiment an SKUs hinweg priorisiert werden sollten.
Vermorel beschreibt diese SKU‑zentrierte Sichtweise als “giftig”, da sie die wettbewerbsorientierte Natur der Bestandsverwaltung ignoriert, bei der alle SKUs um dieselben Investitionen konkurrieren. Diese Denkweise treibt Unternehmen in einen Kreislauf ständiger Anpassungen der min/max‑Parameter, während die breitere Perspektive, wie Kunden, die mehrere SKUs benötigen, optimal bedient werden können, vernachlässigt wird. Infolgedessen könnten Unternehmen Schwierigkeiten haben, ihren Service Level und ihre gesamte Bestandsinvestitionsstrategie zu optimieren.
Chandler fordert daraufhin Vermorel auf, zu erklären, warum der min/max‑Ansatz trotz dieser Einschränkungen weit verbreitet angenommen wurde. Vermorel benennt seine Einfachheit und leichte Implementierung als Hauptgründe, insbesondere in frühen relationalen Datenbanksystemen. Eine min/max‑Inventurpolitik könnte mit einigen SQL‑Abfragen zu einem ERP (Enterprise Resource Planning)‑System hinzugefügt werden, was es zu einer attraktiven Funktion für Systeme macht, die von Grund auf neu beginnen.
Historisch gesehen spielte auch die Vorliebe für monolithische Systeme eine Rolle. Diese Systeme, die in der Lage waren, den Lagerzufluss und -abfluss zu verfolgen, wurden erweitert, um grundlegende Auffüllungsintelligenz, wie die min/max‑Funktion, zu integrieren. Vermorel schlägt vor, dass der bessere Ansatz darin bestanden hätte, ein separates System einzubinden, das der Auffüllungsintelligenz gewidmet ist. Der Weg des geringsten Widerstands bestand jedoch oft darin, einfach an die bestehende monolithische Struktur anzuknüpfen.
Der min/max‑Ansatz kann effektiv sein, wenn supply chain‑Praktiker sich der täglichen Feinabstimmung der min/max‑Werte widmen. Dies bringt jedoch eine erhebliche Arbeitsbelastung und Verantwortung für die Praktiker mit sich, mit dem Potenzial für suboptimale Ergebnisse, falls diese Anstrengungen nicht aufrechterhalten werden. Min‑max ist eine supply chain‑Strategie, die fest in viele ERP (Enterprise Resource Planning)‑Systeme eingebaut ist. Diese Strategie funktioniert relativ gut, wenn die Mindestbestellmenge des Lieferanten mit den min‑max‑Einstellungen des Systems übereinstimmt. Allerdings wird es problematisch, wenn die Mindestbestellmenge des Lieferanten in Wert und nicht in Einheiten ausgedrückt wird. Zum Beispiel, wenn ein Lieferant nur Bestellungen im Wert von mindestens $10,000 über alle Produkte hinweg akzeptiert, wird das System, das pro Produkt Mindestmengen bevorzugt, kompliziert.
Um dieses Problem zu umgehen, schlug Vermorel einen Workaround vor – einen System‑Hack. In einem streng min/max‑System kann man den min‑Wert auf null und den max‑Wert auf eine unendlich hohe Zahl setzen, sodass keine Bestellung ausgelöst wird. Wenn eine Bestellung aufgegeben werden muss, können die Werte entsprechend angepasst werden, um dem System zu ermöglichen, das Nachbestellsignal auszugeben, und anschließend wieder auf die ursprünglichen Werte zurückgesetzt werden. Vermorel räumt ein, dass dies eine zusätzliche Komplexitätsebene mit sich bringt, argumentiert jedoch, dass, wenn ein Unternehmen an ein veraltetes System gebunden ist, dies eine vernünftige kurzfristige Lösung sein kann.
Das Gespräch verlagerte sich dann auf die Alternativen zum min/max‑Ansatz, wobei insbesondere Lokads Ansatz im Fokus stand. Die wesentlichen Unterschiede laut Vermorel umfassen Priorisierung, die Berücksichtigung nichtlinearer Einschränkungen und die Basisierung von Entscheidungen auf der prognostizierten zukünftigen Nachfrage. Priorisierung bedeutet, den Wert jedes Produkts aus der Perspektive des Kunden zu betrachten. Nichtlineare Einschränkungen beinhalten Mindestbestellmengen von Lieferanten und andere Faktoren wie die Lagerkapazität. Die prognostizierte zukünftige Nachfrage umfasst das Erstellen probabilistischer Vorhersagen, um potenzielle Zukünfte und die damit verbundenen Risiken abzuschätzen.
Wenn der min/max‑Ansatz „irgendwie funktioniert“, deutet dies darauf hin, dass der Bestand für das Unternehmen nicht strategisch ist und Lagerhaltung günstig ist. Vermorel warnte jedoch, dass sobald die Bestandsverwaltung erhebliche finanzielle Auswirkungen hat, ein anspruchsvollerer Ansatz in Betracht gezogen werden sollte, um zu vermeiden, dass Geld ungenutzt bleibt.
Um vom min/max‑Ansatz abzukommen, schlug Vermorel vor, mit der Priorisierung zu beginnen. Dies kann sogar mit einem einfachen Werkzeug wie Excel erreicht werden. Produkte sollten basierend auf ihrer Dringlichkeit für den Bestand bewertet werden, wobei Aspekte wie Nachfrageprognose, Kritikalität für Kunden und Lagerhaltungskosten berücksichtigt werden. Diese Priorisierung kann die Produktivität steigern, da sie es supply chain‑Managern ermöglicht, sich auf die wichtigsten Produkte zu konzentrieren, anstatt jedes Produkt linear zu durchgehen.
Vollständiges Transkript
Kieran Chandler: Willkommen zurück bei Lokad TV. In dieser Woche werden wir den min/max‑Ansatz besprechen, eine der frühesten automatisierten Auffüllungsmethoden, die in die Bestandsverwaltungssoftware integriert wurden. Der Hauptvorteil dieses Ansatzes ist seine Einfachheit. Allerdings werden wir in der heutigen Episode erklären, warum dieser Weg letztlich zu einem unausweichlichen Scheitern führt. Also, Joannes, vielleicht wäre es ein guter Start in diese Woche, wenn du ein wenig mehr über den min/max‑Ansatz und dessen tatsächlichen Umfang erzählen könntest.
Joannes Vermorel: Die min/max‑Inventurauffüllungsrichtlinie ist äußerst einfach. Man betrachtet eine SKU und definiert zwei Parameter: den min und den max. Der min‑Wert gibt an, wann Ihre Stock Keeping Unit, Ihre SKU, diesen Bestand erreicht und eine Auffüllung ausgelöst wird. Und wie viel wird aufgefüllt? Nun, es wird genau so viel aufgefüllt, dass der Bestand auf den max‑Wert ansteigt. So fungiert der min als Auslöser und der max als Ziel. Dies führt dazu, dass Ihr Bestand ein sägezahnartiges Muster aufweist, bei dem der Bestand langsam abnimmt, dann wieder aufgefüllt wird und erneut abnimmt. Es ist in der Tat äußerst einfach umzusetzen. Dies lässt sich in nahezu jedem System realisieren, und nahezu jedes einzelne supply chain‑System verfügt über eine entsprechende min/max‑Funktion.
Kieran Chandler: Es erscheint sehr simpel. Was sind die weiteren Hauptvorteile dieses Ansatzes?
Joannes Vermorel: Der eine Vorteil, vorausgesetzt, dass Sie ein softwaregestütztes Bestandsverwaltungssystem haben, besteht darin, dass Sie Automatisierung erhalten. Das bedeutet, dass Sie buchstäblich nichts tun müssen und Bestellungen automatisch generiert werden, sobald der min‑Wert erreicht wird, der als Auslöser dient. In puncto Produktivität ist es somit relativ gut, da es etwas vollständig Automatisiertes liefert, was sehr wertvoll sein kann.
Kieran Chandler: Das sind also alle positiven Aspekte. Wie sieht es nun mit den negativen Punkten aus? Es ist eine Technik, die in viele ERPs integriert ist. Was sind ihre Einschränkungen?
Joannes Vermorel: Die Hauptbeschränkung besteht darin, dass die durch min/max resultierende Bestandsverwaltung in der Regel recht schlecht ist. Ein Grund dafür ist, dass Sie immer mit erheblichen Inventarabschreibungen enden, da dieser min/max‑Ansatz unabhängig von der Situation eine Auffüllung auslöst. Wenn Sie also ein Produkt haben, das allmählich verschwindet, wird dennoch eine weitere Nachbestellung getätigt, selbst nach einem Jahr der Abschwächung. Das Problem ist also, dass es mit min/max kein Ausphasieren eines Produkts gibt. Es führt quasi per Design zu Inventarabschreibungen. Darüber hinaus gibt die min/max‑Methode keinerlei Hinweise, sobald Sie den Bestand optimieren möchten und nicht nur Zeit sparen wollen, indem Bestellungen ausgelöst werden. Sie besagt lediglich, dass Sie einen min und einen max wählen könnten, die Realität der Entscheidung, wann und in welcher Menge nachbestellt werden soll, bleibt jedoch vollständig Ihnen überlassen. Wenn Sie bereit sind, Ihre min/max‑Einstellungen jeden einzelnen Tag zu überdenken, können Sie beliebige andere Richtlinien implementieren, aber dabei gehen die Automatisierungsvorteile vollständig verloren.
Kieran Chandler: Deshalb sprechen wir darüber, dass diese Methode im Grunde zum Scheitern verurteilt ist. Was sind also die Probleme, mit denen die Leute in der realen Welt konfrontiert sind, wenn sie diesen Ansatz verwenden?
Joannes Vermorel: Ich glaube, dass das Hauptproblem hinterhältiger ist, als dass min/max nur zu simpel ist. Das eigentliche Problem besteht darin, dass es die Situation so darstellt, dass sie relativ giftig ist, wenn es darum geht, überhaupt zu verstehen, was in Ihrer supply chain vor sich geht.
Kieran Chandler: Die Kraft liegt in der Iteration, wissen Sie, der Rest des Universums spielt keine Rolle. Wenn man darüber nachdenkt, haben die meisten Unternehmen Tausende von Produktreferenzen oder zumindest Hunderte und typischerweise mehrere Standorte. Dinge geschehen also nicht isoliert. Die Frage ist nicht so sehr, wann und in welcher Menge ich diese SKU bestellen soll, sondern wenn ich einen zusätzlichen Dollar oder Euro in meinen Bestand investieren könnte, wohin sollte dieser Euro vorrangig fließen?
Joannes Vermorel: Sehen Sie, alle Ihre Referenzen, alle Ihre SKUs konkurrieren um dasselbe Geld, um das gleiche Budget, das Sie in Ihren Bestand investieren könnten. Aber die min/max‑Perspektive gibt Ihnen eine SKU‑zentrierte Sichtweise auf die Auffüllung. Diese Konkurrenz, die zwischen den verwalteten SKUs besteht, existiert in diesem Ansatz nicht. Und hier liegt das Problem, denn es bedeutet, dass Sie das Problem darauf reduzieren, zwei Parameter, min und max, zu finden und diese möglicherweise jede Woche, jeden Monat, jedes Jahr neu zu überdenken. Es vermittelt Ihnen eine Denkweise, bei der im Grunde genommen immer nur eine SKU betrachtet wird, während in Wirklichkeit Ihre Kunden, die viele SKUs benötigen, vorhanden sind, sodass alle SKUs um Ihr Budget konkurrieren. Sie sollten sich wirklich Gedanken darüber machen, wie ich den besten Service bieten kann und nicht nur eine Lösung für diese eine SKU.
Kieran Chandler: Und wenn es ein Ansatz ist, der – wie Sie sagen – so problematisch ist, warum hat er dann ursprünglich so viel Anklang gefunden? Warum wird er in so viele ERPs integriert?
Joannes Vermorel: Ich meine, es ist eindeutig etwas, das überaus einfach zu implementieren ist, besonders wenn man an die frühen relationalen Systeme, also die frühen Datenbanksysteme, denkt. Eine min/max-Inventarauffüllungsrichtlinie kann mit etwa drei oder vier SQL-Abfragen implementiert werden. Man benötigt eine für den Auslöser, eine für die Menge, vielleicht eine, um den Bestellvorgang abzuschließen, und so weiter. Es sind buchstäblich nur ein paar SQL-Abfragen, die man zu seinem ERP hinzufügen muss, um diese Funktionalität bereitzustellen. Also macht es Sinn, wenn man von Grund auf nichts hat und dies hinzufügt.
Historisch gab es diesen umfassenden Ansatz, Monolithen zu haben, sodass man ein Bestandsverwaltungssystem hatte, das vollkommen in Ordnung war, um den Bestand zu verwalten – also um den Überblick über ein- und ausgehende Waren zu behalten. Aber dann möchte man eine Funktion für Auffüllungsintelligenz hinzufügen. Man fängt mit etwas an. Der bessere Ansatz wäre gewesen zu sagen: „Ich werde mich nicht an dieser Art von Funktion versuchen, damit ich ein separates System haben kann, das ausschließlich dieser Auffüllungsintelligenz gewidmet ist.“ Aber es stellte sich heraus, dass der einfachste Weg darin bestand, einfach den großen Monolithen zu erweitern und zu sagen: „Nun, ich kann meinen Bestand bereits verwalten, also kann ich das erste Stück Auffüllungsintelligenz hinzufügen.“ Im Grunde beginnt man also mit min/max.
Wenn man annimmt, dass es supply chain practitioners gibt, die diese min/max-Werte jeden Tag überprüfen, um sie anzupassen, dann funktioniert es relativ gut. Aber tatsächlich wird die gesamte Intelligenz und Anstrengung auf die Schultern des supply chain practitioners gelegt.
Kieran Chandler: Das Problem ist, dass viele unserer Kunden stark an die Möglichkeiten ihres ERP-Systems gebunden sind. Welche Optionen stehen ihnen also zur Verfügung, wenn sie etwas wie min/max haben, das fest in ihr ERP eingebaut ist?
Joannes Vermorel: Das ist ein Problem, denn selbst wenn so etwas möglich ist, führt die Tatsache, dass solche Funktionen in das System eingebaut sind, zu erheblicher Reibung.
Kieran Chandler: Wenn beispielsweise eine Diskrepanz bei den Mindestbestellmengen deines Lieferanten besteht. Wenn dein Lieferant Mindestbestellmengen pro Produkt vorgibt, musst du vielleicht 50 Einheiten für jedes einzelne Produkt bestellen. Das funktioniert relativ gut mit dem min/max-Ansatz, weil man einfach einen Unterschied von mehr als 50 Einheiten zwischen Minimum und Maximum benötigt. Das Problem entsteht, wenn etwa ein Lieferant dir mitteilt, dass er nur Bestellungen annimmt, wenn du Produkte im Wert von mindestens 10.000 $ bei ihm orderst. In diesem Fall betrachtest du das Produktspektrum, das du von diesem Lieferanten beziehen kannst – und es könnten Hunderte davon sein.
Joannes Vermorel: Ja, man möchte keinen allzu simplen Ansatz, bei dem es heißt: „Ich bestelle ein Produkt nur, wenn ich für dieses Produkt allein eine Bestellung über zehntausend Dollar aufgeben kann.“ Das ist die Art von Reibung, die auftreten kann. Es ist möglich, sich um diese min/max-Einstellungen herumzuschlagen – insbesondere, wenn dein System starr auf min/max ausgelegt ist. Wir hatten einige Kunden, bei denen das der Fall war. Der Trick besteht darin, das Minimum auf Null zu setzen, sodass es nie ausgelöst wird, und das Maximum so einzustellen, dass es im umgekehrten Fall reagiert. Du manipuliert das System so, dass es auf nichts reagiert. Dann, wenn du eine Entscheidung herbeiführen möchtest, passt du die Werte direkt an, lässt das System die Nachbestellung auslösen und setzt sie anschließend wieder auf Null zurück. Das ist sehr systemspezifisch, und die Idee ist, dass man dies nicht manuell machen möchte. Man greift direkt in den Inhalt der relationalen Datenbank ein, um das gewünschte Verhalten rückzuentwickeln.
Kieran Chandler: Der Gedanke, sich in ein System einzuhacken und es zu reverse-engineeren, könnte einige unserer Zuschauer etwas nervös machen. Fügt das eine zusätzliche Komplexitätsebene hinzu? Ist das ein Ansatz, den Sie empfehlen würden?
Joannes Vermorel: Der empfohlene Ansatz besteht darin, ein modernes, cloud-basiertes Bestandsverwaltungssystem zu haben, das über eine API und alle modernen Funktionen verfügt. Aber in Wirklichkeit, wenn man das nicht hat, könnte man mit einem zwei- oder drei Jahrzehnte alten System feststecken, das vollständig mit dem Rest des Unternehmens verknüpft ist. Der Übergang zu etwas viel Modernerem ist möglicherweise keine vernünftige kurzfristige Option. Ja, es gibt zusätzliche Reibung, aber weil min/max so simpel ist, ist es relativ einfach, einen Override des min/max zu hacken. Es ist viel einfacher, das Verhalten rückzuentwickeln, weil alle Systeme tendenziell irgendeine Variante von min/max besitzen. Der Trigger könnte beispielsweise ein Datum sein, wie jeden Montag, an dem ich bis zum Maximum nachbestelle. Also habe ich kein Minimum, ich habe nur ein Maximum, und dann folgt ein Zeitplan – jeden Montag oder den ersten Tag des Monats oder Ähnliches. Es gibt viele Varianten dieses min/max-Inventars, bei denen in der Regel eine simple Triggerbedingung und ein einfaches Ziel definiert sind.
Kieran Chandler: Und bei den aufwendigeren, halbintelligenten Auffüllungspolitiken wird es viel komplizierter, sich hineinzuhacken?
Joannes Vermorel: Ja, genau da liegt das Paradoxon. Wenn man aufwändigere, halbintelligente Auffüllungspolitiken hat, wird es viel schwieriger, sich hineinzuhacken, wenn das System an Ort und Stelle verbleiben muss und nicht einfach deaktiviert werden kann. Aber lassen Sie uns vom Hacking abkommen und über die Alternativen zum min/max-Ansatz sprechen. Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einem Lokad-Ansatz im Vergleich zum min/max-Ansatz?
Kieran Chandler: Also, was benötigen Unternehmen am meisten? Ich nehme an, es gibt einige Produkte, bei denen die Marge dünn ist, aber diese Produkte sind für Ihre Kunden absolut essentiell. Wenn Sie sie nicht haben, riskieren Sie, die Kunden komplett zu verlieren. Würden Sie also sagen, dass Priorisierung der erste Schritt ist?
Joannes Vermorel: In der Tat, Priorisierung ist wahrscheinlich der erste Schritt. Der zweite Schritt besteht dann darin, an alle nichtlinearen Einschränkungen in Ihren supply chain zu denken. Es ist sehr selten, dass man diese völlig ignorieren kann. Zum Beispiel könnten Sie Mindestbestellmengen von Ihren Lieferanten haben. Diese spiegeln die Tatsache wider, dass jedes Mal, wenn Sie eine Nachbestellung aufgeben, der Lieferant eine Lieferung durchführen muss. Dies ist ein Fixkostenfaktor, der unabhängig davon ist, wie viel Sie bestellen, und spiegelt sich möglicherweise in den Preisen wider, die Sie erhalten. Außerdem könnten weitere Einschränkungen vorliegen, wie wenn Sie an einem einzigen Tag zu viele Lieferungen erhalten und Ihr Lagerpersonal dadurch überfordert wird. Es gibt viele weitere nichtlineare Einschränkungen, die aus der Perspektive des min/max-Ansatzes nicht einmal berücksichtigt werden. Es ist in der Regel sehr branchenspezifisch, aber das Wesentliche ist, dass Ihr Modell die physische Realität Ihrer supply chain nicht ignoriert.
Kieran Chandler: Also sagen Sie, dass alles auf der projizierten zukünftigen Nachfrage basiert. Die min/max-Inventarisierung sagt nichts darüber aus, wie man überhaupt die Nachfrage prognostiziert.
Joannes Vermorel: Das ist korrekt. Die Zukunft ist ungewiss, daher besteht der erste entscheidende Unterschied darin, dass Sie irgendeine Form von probabilistischen Nachfrageprognosen einpflegen müssen. Das ermöglicht es Ihnen, viele mögliche Zukünfte zu bewerten und das Risiko, das mit bestimmten Entscheidungen oder dem Ausbleiben von Entscheidungen einhergeht, abzuschätzen.
Kieran Chandler: Und viele unserer Zuschauer nutzen möglicherweise gerade einen min/max-Ansatz, der irgendwie für sie funktioniert. Was könnten die möglichen Konsequenzen sein, wenn sie einige dieser Warnungen ignorieren? Warum sollten sie also von diesem min/max-Ansatz abweichen?
Joannes Vermorel: Nun, wenn der min/max-Ansatz irgendwie funktioniert, bedeutet das wahrscheinlich, dass der Bestand nicht strategisch ist und Ihre Lagerbestände sehr günstig sind. Es geht Ihnen nur um Automatisierung. Das kann funktionieren, wenn viele Produkte stets verfügbar sein müssen, aber der Nachteil ist, dass es sehr teuer wird, wenn sie nicht vorhanden sind. Wenn es jedoch keinen konkreten Nachteil hat, zu viel Inventar zu besitzen – wie beispielsweise bei Büromaterial – kann der min/max-Ansatz in Ordnung sein. Aber sobald es erhebliche finanzielle Auswirkungen auf Ihre supply chain hat, könnten Sie eine Menge Geld aufs Spiel setzen, indem Sie das Bestandsmanagement nicht optimieren.
Kieran Chandler: Zusammenfassend möchten wir, dass unsere Zuschauer mit einer kleinen Lektion nach Hause gehen. Wenn ich ein Supply Chain Manager wäre, was wären die ersten Schritte, die ich unternehmen sollte, um vom min/max-Ansatz wegzukommen?
Joannes Vermorel: Der erste Schritt besteht darin, alles in Angriff zu nehmen, was wie Priorisierung aussieht. Man kann dies sogar in Excel machen. Die Frage wäre, ob Sie alle Ihre Produkte haben und sie von demjenigen, der am dringendsten Inventar benötigt, bis zu demjenigen, der am wenigsten Bedarf hat, einordnen können.
Kieran Chandler: Sie haben von einer Mini-Nachfrageprognose gesprochen, die auf einem gleitenden Durchschnitt basiert. Sie ist sehr rudimentär, und es gibt dann verschiedene Faktoren, die die Kritikalität für Ihre Kunden berücksichtigen. Ist das etwas, das als Zusatzfunktion betrachtet wird, oder ist es geschäftskritisch?
Joannes Vermorel: Es ist etwas, das bestimmte Faktoren einbezieht. Zum Beispiel kann es das Inventarrisiko berücksichtigen. Die Frage ist, ob es sich um etwas handelt, bei dem eine schnelle Veralterung einsetzt, oder ob es etwas ist, das ewig Bestand hat.
Mit einem sehr grundlegenden numerischen Rezept kann man bereits eine sinnvolle Rangfolge erstellen. Das Gute daran ist, dass es in puncto Produktivität bedeutet, dass selbst wenn Sie Ihren Bestand immer noch weitgehend manuell verarbeiten, sobald Sie eine Priorisierung haben, eine Prioritätenliste vorliegt. So wissen Sie, wo Sie hinschauen müssen.
Auch wenn Ihre Priorisierung etwas grob ist, ist die Spitze der Liste in der Regel ein guter Ausgangspunkt, sofern Ihr Rezept nicht völlig dysfunktional ist. Dieser Ansatz ist besser, als jede Woche jedes einzelne Produkt linear zu überprüfen.
Kieran Chandler: Okay, großartig. Nun, wir müssen es dabei belassen, aber danke für Ihre Zeit heute. Das war alles für diese Woche. Wir sind nächste Woche mit einer weiteren Episode von Lokad TV wieder zurück. Bis dahin, danke fürs Zuschauen.