00:00:05 Einführung in das Thema der Wartbarkeit von supply chain Software.
00:01:22 Erklärung, wie Software im Laufe der Zeit an Qualität verliert, am Beispiel von Microsoft.
00:03:01 Diskussion der Unterschiede in der Wartbarkeit von Microsoft-Produkten und anderer Software.
00:04:16 Erklärung, warum sich Software im Laufe der Zeit ändern muss, bedingt durch Veränderungen in der Computerhardware und Sicherheitsbedenken.
00:07:50 Diskussion darüber, aus welcher Perspektive die Wartbarkeit betrachtet werden sollte und welches Problem es mit der bloßen Fokussierung auf das Überleben eines Anbieters gibt.
00:09:08 Microsofts Kompatibilität mit über einer Million Druckern als Beispiel für das Ausmaß der Aufgabe.
00:10:07 Wie das Softwaredesign die Wartbarkeit beeinflusst und warum es erforderlich ist, Software so zu entwerfen, dass sie hochgradig wartbar ist.
00:11:07 Die Bedeutung der Analyse der Anreize der Anbieter zur Sicherstellung der Wartbarkeit von Software.
00:13:03 Wartbarkeit ist eine Frage des Designs, und der Erhalt der technologischen Masse ist der Schlüssel zu einem wartbaren Produkt.
00:16:00 Diskussion über die Bedeutung der Wartbarkeit von Software.
00:17:00 Die Anreize der Anbieter, die Wartbarkeit von Software sicherzustellen.
00:19:00 Wie man wartbare Software erkennt.
00:21:02 Symptome unwartbarer Software.
00:23:13 Abschließende Gedanken zur Bedeutung der Wartbarkeit von Software.
Zusammenfassung
In einem Interview diskutieren Kieran Chandler und Joannes Vermorel die Bedeutung der Wartbarkeit von Software, insbesondere in supply chain software. Vermorel argumentiert, dass Wartbarkeit in erster Linie eine Frage des Designs ist und oft von Unternehmen übersehen wird, die sich ausschließlich auf das Überleben eines Anbieters konzentrieren. Er weist darauf hin, dass Software im Laufe der Zeit aufgrund von technologischen Veränderungen und Entropie unwartbar wird, und betont die Wichtigkeit von Kompatibilität, Sicherheit und Einfachheit im Softwaredesign. Vermorel warnt zudem davor, in die Falle von auffälligen Benutzeroberflächen zu tappen, und empfiehlt, Entwickler gründlich zu ihren Plänen für die Wartbarkeit zu befragen, um die langfristige Lebensfähigkeit sicherzustellen.
Erweiterte Zusammenfassung
In diesem Interview erörtern Kieran Chandler und Joannes Vermorel die Herausforderungen bei der Wartung von supply chain Software und wie gutes Design deren Langlebigkeit beeinflussen kann. Vermorel erklärt, dass Software, auch wenn sie nicht wie physische Objekte abbaut, im Laufe der Zeit aufgrund von Entropie und Veränderungen in der Technologielandschaft auseinanderfällt. Unternehmen wie Microsoft waren erfolgreich, weil sie ein starkes Engagement für das langfristige Überleben ihrer Produkte zeigten, was es ermöglicht, ältere Dokumente auch heute noch zu öffnen und zu nutzen.
Vermorel merkt an, dass Microsofts Fähigkeit, die Langlebigkeit ihrer Software zu sichern, aus immensen Investitionen in die Wartung und ihrem Fokus auf Kompatibilität resultiert. Er stellt dies Linux gegenüber, das zwar schlanker und besser organisiert ist, aber nicht denselben Grad an Rückwärtskompatibilität bietet. Vermorel räumt ein, dass supply chain Software aufgrund ihrer verteilten Natur und der zahlreichen beweglichen Komponenten noch komplexer ist.
Die Wartung von supply chain Software wird dadurch erschwert, dass sich computing hardware kontinuierlich weiterentwickelt. Zwar kann Virtualisierung einige Probleme abmildern, doch ist sie keine perfekte Lösung. Zudem ändert sich die Art, wie Benutzer mit Software interagieren – etwa durch die zunehmende Verbreitung von Touchscreens und hochauflösenden Displays. Ältere Software ist oft nicht für diese modernen Systeme konzipiert, was sie weniger intuitiv und potenziell unsicher macht.
Vermorel argumentiert, dass die Wartbarkeit von Software oft übersehen und missverstanden wird. Die typische Sorge, ob ein Anbieter auch in Zukunft noch präsent sein wird, hält er für einen schwachen Ansatz. Er weist darauf hin, dass das Vorhandensein eines überlebenden Anbieters ein Bonus, aber keine Garantie für Wartbarkeit ist. Tatsächlich haben einige Anbieter einen perversen Anreiz, unwartbare Produkte zu schaffen, um neue Versionen zu verkaufen.
Der Interviewpartner betont, dass das Thema Wartbarkeit aus einer anderen Perspektive betrachtet werden sollte. Er erklärt, dass komplexe Software – wie etwa Enterprise-supply chain Systeme – Millionen von beweglichen Teilen hat und zahlreiche Unternehmen gleichzeitig daran arbeiten. Diese Systeme unterliegen ständigen Upgrades und Veränderungen, um mit verschiedener Hardware und unterschiedlichen Betriebssystemen kompatibel zu bleiben. Die Gewährleistung dieser Kompatibilität wird zu einem gewaltigen Unterfangen, wie Vermorel an Microsofts Kompatibilität mit über einer Million Druckern verdeutlicht.
Er meint, dass Software per se nicht wartbar ist, sofern sie nicht speziell dafür konstruiert wurde. Zudem betont er, dass der Fokus nicht ausschließlich auf dem Überleben eines einzelnen Anbieters liegen sollte, sondern auf dem gesamten Ökosystem der an der supply chain beteiligten Unternehmen. Vermorel ist überzeugt, dass Wartbarkeit primär eine Frage des Designs ist – insbesondere des Erhalts der technologischen Masse.
Um Kunden durch Demos zu gewinnen, nutzen Unternehmen oft die neuesten und fortschrittlichsten Technologien für Datenvisualisierung, Benutzererfahrung und Echtzeitanalysen. Dies erzeugt einen „Wow-Effekt“, der als Verkaufsargument dienen kann. Vermorel stellt diesen Ansatz jedoch infrage und führt als Beispiel veralteter ERP Bildschirme an, die an Textterminals aus den frühen 80er-Jahren erinnern. Trotz ihres retroartigen Erscheinungsbildes sind diese Bildschirme unglaublich schnell, reaktionsfähig und haben minimale Abhängigkeiten, was sie äußerst wartbar und effizient macht.
Vermorel betont, dass nicht jede Ebene der Software Innovation benötigt, da es wichtiger sei, in bestimmten Bereichen – wie Kalendermanagement oder Passwortspeicherung – Stabilität zu gewährleisten. Er weist zudem darauf hin, dass die Softwaretechnik eine reiche Geschichte hat, von der man lernen kann, und dass Wartbarkeit Priorität haben sollte. Dennoch übersehen Kunden und Interessenten diesen Aspekt oft und konzentrieren sich eher darauf, ob ein Unternehmen in Zukunft noch existieren wird, statt auf die Wartbarkeit seiner Software.
Um zu bestimmen, ob ein Stück Software wartbar ist, schlägt Vermorel vor, die Anreize des Anbieters zu analysieren. Beispielsweise könnte ein Anbieter, der hohe Implementierungsgebühren verlangt und Einnahmen zu Beginn eines Projekts erzielt, einen Anreiz haben, diese Gebühren so oft wie möglich zu wiederholen. Lokad hingegen berechnet eine monatliche Gebühr ohne langfristige Bindung, wodurch sichergestellt wird, dass das Unternehmen selbst ein finanzielles Interesse an der Wartbarkeit hat.
Vermorel hebt zudem die Bedeutung von Software-as-a-Service (SaaS)-Lösungen hervor, da diese sicherstellen, dass der Anbieter für die Wartung seiner eigenen Software verantwortlich ist. Er warnt vor technologischer Komplexität, bei der Unternehmen mit zahlreichen hochmodernen Komponenten prahlen, die aufgrund ihrer individuellen Lebenszyklen zu einem Albtraum in der Wartung werden können. Stattdessen plädiert er dafür, dass eine einfache, wartbare Lösung für supply chain Praktiker Vorrang haben sollte.
Vermorel erklärt, dass selbst wenn Unternehmen in supply chain Systeme investieren, diese im Laufe der Zeit durch verschiedene Fehler und auftretende Probleme unbrauchbar werden. Mit zunehmender Fehleranzahl wird die Software schwerer zu warten und zu bedienen. Folglich geben die Nutzer die Funktionen des Systems auf und greifen stattdessen als Notlösung auf Microsoft Excel spreadsheets zurück.
Er berichtet, dass diese Situation in der Branche häufig vorkommt und die Symptome einer Lösung widerspiegelt, die völlig unwartbar geworden ist. Vermorel warnt, dass auffällige Benutzeroberflächen nicht zwangsläufig ein gut funktionierendes Produkt garantieren und potenzielle Wartbarkeitsprobleme sogar verschleiern können. Andererseits können veraltete Benutzeroberflächen ein Warnsignal sein, da sie auf mangelnde Wartung und fehlende Updates durch den Anbieter hinweisen.
Um nicht in die Falle unwartbarer Software zu tappen, rät Vermorel Unternehmen, Entwickler gründlich zu ihren Wartbarkeitsplänen zu befragen und die wesentlichen Designentscheidungen zu verstehen, die zur langfristigen Lebensfähigkeit der Software beitragen. Er betont, dass Software in der Branche ohne sorgfältige Berücksichtigung der Wartbarkeit per se unwartbar ist.
Vermorel schließt mit dem Hinweis auf die Ähnlichkeiten zwischen supply chain Software und Hochfrequenzhandelssystemen im Finanzsektor, und merkt an, dass beide oft textbasierte Benutzeroberflächen nutzen. Auch wenn diese Oberflächen veraltet erscheinen, sind sie aufgrund minimaler Abhängigkeiten und ihres schlanken Designs effizient und wartbar.
Vollständiges Transkript
Kieran Chandler: Hey, wenn in ein Stück supply chain Software investiert wird, erwartet man, dass es dem Unternehmen jahrzehntelang hält und nicht nur wenige Jahre. Aus der Sicht der Anbieter bedeutet die sich rasant verändernde Technologielandschaft jedoch, dass allein die Wartung dafür keine leichte Aufgabe ist. Daher werden wir heute über Wartbarkeit sprechen, warum sie eine solche Herausforderung darstellt und wie sie durch gutes Design beeinflusst werden kann. Es ist ein spannendes Thema, denn normalerweise würde man nicht erwarten, dass Wartbarkeit mit Software in Verbindung gebracht wird. Software baut sich nicht wirklich ab. Also, worum geht es?
Joannes Vermorel: Nun, tatsächlich baut sich Software ab. Ja, es ist nicht wie bei mechanischem Verschleiß, bei dem es zu Abnutzung kommt und Dinge so zerbrechlich werden, dass sie zusammenbrechen. Software ist nicht dasselbe, aber sie zerfällt im Laufe der Zeit. Das mag überraschend sein, denn einige der größten und erfolgreichsten Softwareunternehmen – etwa Microsoft – waren gerade deshalb unglaublich erfolgreich, weil sie ein extremes Engagement für das langfristige Überleben ihrer Produkte zeigten. Es ist buchstäblich ein Beweis für Microsofts Erfolg, dass man heute ein 1995 bearbeitetes Microsoft Word-Dokument öffnen und drucken kann. Unglaublich, aber genau das übersehen die meisten: Microsoft war in dieser Hinsicht ziemlich einzigartig, weil es eine langfristige Denkweise bezüglich seiner Produkte hatte. Würde man eines ihrer Konkurrenzprodukte versuchen – und heutzutage erinnert sich kaum jemand daran, dass Microsoft Word und Excel viele Konkurrenten hatten – würde keines davon tatsächlich funktionieren.
So, gehen wir davon aus, dass Software abbaut – überwiegend aufgrund von Entropie, weil diese Landschaft sich ständig verändert. Die Hardware ändert sich, und Software ist ein sehr zusammengesetztes Produkt. Im Kern erfordert der Betrieb fast alles Dutzende von Komponenten, die von Dutzenden von Unternehmen bereitgestellt werden, und diese werden nicht von Natur aus über lange Zeiträume gepflegt. Wenn sich etwas ändert, gibt es keinen klaren Grund, warum alle anderen Teile vollständig kompatibel und korrekt integriert mit dem veränderten Teil bleiben sollten.
Kieran Chandler: Ja, ich meine, die Technologielandschaft verändert sich rasant. Also, was hat Microsoft gut gemacht? Warum konnten sie die Langlebigkeit ihrer Software beeinflussen?
Joannes Vermorel: Im Kern haben sie sich wirklich dafür engagiert und enorme Investitionen getätigt. Viele beklagen, dass Microsoft Windows so aufgebläht sei, mit zu vielen unnötigen Komponenten, während ein Linux-Betriebssystem viel schlanker, besser organisiert und insgesamt sinnvoller ist. Das stimmt – absolut. Aber versuchen Sie, ein Programm auszuführen, das vor 25 Jahren für Linux geschrieben wurde; es wird nicht laufen. Die Spiele, die ich als Teenager in den 90ern für Windows 95 gekauft habe, laufen noch heute. Das zeigt, was ich meine.
Kieran Chandler: Man kann Dinge richtig machen mit, würde ich sagen, einem wahnsinnig hohen Engagement. Und wenn man die Microsoft-Blogs liest, in denen sie darlegen, was sie tun, um die Wartbarkeit sicherzustellen, dann gehen sie buchstäblich bis zum Äußersten. Bei supply chain Software kann man jedoch nicht das gleiche Maß an Engagement erwarten, da der Markt nicht so groß ist und es schlichtweg keine Unternehmen gibt, die solche umfassenden Maßnahmen ergreifen. Zudem ist supply chain Software äußerst komplex, weil sie typischerweise verteilt ist und viele bewegliche Teile besitzt. Das macht die Wartbarkeit umso komplizierter. Und nun stellt sich die Frage, warum sich überhaupt etwas ändert und warum man nicht einfach ein Softwareprodukt einfrieren und für immer so belassen kann?
Joannes Vermorel: Die Antwort lautet: Zum einen ändert sich die Computerhardware ständig, sodass man nicht behaupten kann, dass etwas ewig läuft. Ja, man kann mittlerweile Virtualisierung einsetzen, um viele dieser Probleme abzumildern, auch wenn Virtualisierung oft keine vollkommen perfekte Emulation der früher verwendeten Hardware bietet. Aber es geht nicht nur um die Hardware für die Berechnung; es ist auch die Tatsache, dass sich beispielsweise die Nutzung von Bildschirmen verändert hat. Heutzutage haben Bildschirme viel mehr Pixel, man kann Touchscreens nutzen, und vieles verhält sich nicht mehr wie in alten Systemen. Manchmal gibt es sogar merkwürdige Systeme, bei denen Tasten auf der Tastatur einfach fehlen. War die Software also für eine bestimmte Taste konzipiert, war das damals selbstverständlich – aber fehlt die Taste nun oder ist das Tastaturlayout anders, wirkt die Bedienung viel weniger intuitiv.
Kieran Chandler: Die Leute wollen in ihren Arbeitsplätzen immer die neueste Technik nutzen. Würdest du sagen, dass das ein dominantes Problem ist oder dass vielmehr Sicherheitsbedenken und die Tatsache, dass es unsicher wäre, diese zu verwenden, überwiegen?
Joannes Vermorel: Zunächst einmal ist Wartbarkeit ein gewisses Problem, bei dem supply chain Manager meist nicht darauf achten, und wenn sie es tun, betrachten sie das Problem nur aus einem Blickwinkel, der meiner Meinung nach äußerst schwach ist – nämlich ob der Anbieter noch vorhanden sein wird oder nicht. Und mein Vorschlag ist: Wartbarkeit hat nichts mit dem Überleben des Anbieters zu tun. Ja, einen Anbieter zu haben, der noch existiert, ist irgendwie ein Plus, aber es ist nicht einmal ein so großes Plus, denn Hand aufs Herz, viele Anbieter haben einen massiven perversen Anreiz, ein Produkt zu haben, das absolut nicht wartbar ist. Wie sollen sie sonst die nächste Version verkaufen? Wenn man darauf zurückgeht, warum ich sagen würde, dass dieses Problem normalerweise gar nicht besteht, dann liegt das daran, dass man das Problem nicht richtig betrachtet.
Kieran Chandler: Man muss sich Folgendes vorstellen: eine komplexe Software wie ein Enterprise supply chain System. Stellen Sie sich ein System vor, das Millionen von beweglichen Teilen hat – buchstäblich Millionen – und bei dem Dutzende von Unternehmen zu jeder beliebigen Zeit an einzelnen Komponenten herumbasteln, und das aus so unterschiedlichen Gründen. Manchmal möchte man mit neuer Hardware kompatibel sein, und wenn man das tut, könnte man versehentlich Inkompatibilitäten mit etwas veralteter Hardware erzeugen. Vielleicht möchten Sie mit einem neuen Betriebssystem kompatibel sein, weil sich beispielsweise Linux ständig ändert, Windows sich stetig wandelt, sodass Sie grundsätzlich mit dem Neuesten kompatibel sein wollen. Aber durch die Einführung der Kompatibilität mit dem neuesten System könnten Sie versehentlich eine Inkompatibilität mit dem alten System einführen.
Kieran Chandler: Und um Ihnen eine Vorstellung vom Ausmaß der Aufgabe zu geben: Ich las in einer Microsoft-Publikation, dass Microsoft zu einem Zeitpunkt die Kompatibilität mit über einer Million Druckern sicherstellte. Denken Sie nur daran – eine Million Drucker mit unterschiedlichen Treibern, Befehlssätzen, unterschiedlicher Hardware usw. Das ist der Ingenieuraufwand, der nötig ist, um die Kompatibilität mit einer Million Geräten zu gewährleisten. Das ist beinahe verrückt. Und dann gibt es immer Leute, die sagen: “Ah, Windows ist so ein Mist. Ich habe gerade meinen 17 Jahre alten Drucker angeschlossen, der der Epson 7.1.6 point B, slowakische Edition war, und raten Sie mal – Microsoft ist nicht 100% kompatibel mit diesem Gerät, was offensichtlich einen echten Flaggschiff-Referenzcharakter hat.”
Joannes Vermorel: Aber Spaß beiseite, man hat diese massige Software in der supply chain mit tonnenweise beweglichen Teilen. Die Datenbank, auf die man sich verlässt, wird ständig aktualisiert, ebenso die Netzwerkschichten, die man nutzt, und auch der Webserver, den man verwendet. Es gibt so viele bewegliche Teile. Und standardmäßig gilt: Sofern Sie Ihre Software nicht speziell so entwickeln, dass sie hoch wartbar ist, wird sie es auch nicht sein. Das an der supply chain ist, dass es viel mehr ein langfristiges Spiel ist, das die Leute spielen. Es geht nicht nur darum, ob der Anbieter noch da ist, sondern auch darum, mit all den Menschen, mit denen der Anbieter interagiert. Und wie viel Vertrauen können Sie tatsächlich haben, dass diese anderen Unternehmen auch in Zukunft noch bestehen? Also, dass Unternehmen da sind oder nicht, ist mir meist egal. Das ist nicht der richtige Denkansatz. Wenn Sie Anbieter haben, die zwar noch existieren, aber einen starken Anreiz besitzen, das Produkt unwartbar zu machen, um mehr zu verkaufen – haben Sie damit tatsächlich Fortschritte in Richtung Wartbarkeit erzielt, oder sind Sie in die entgegengesetzte Richtung gelaufen? Sie müssen die Situation anhand der Anreize der Beteiligten analysieren. Und noch etwas: Ich bin der Meinung, dass Wartbarkeit im Wesentlichen eine Frage des Designs ist. Aber von welcher Art Design sprechen wir eigentlich? Und hier denke ich, dass es vor allem um den Erhalt der technologischen Masse geht.
Kieran Chandler: Sehen Sie, wenn Sie ein Produkt haben möchten, das sehr coole Demos liefert, was brauchen Sie? Sie benötigen die neueste und coolste Datenvisualisierungsbibliothek, die neueste und coolste UX-Bibliothek. Wenn Sie ausgefallene Echtzeitanalysen wünschen, brauchen Sie das neueste und coolste Subsystem dafür, und so weiter. Ihr Anreiz, Kunden mit Demos zu gewinnen, besteht darin, einen “Wow-Effekt” zu erzeugen. Zum Beispiel sagten viele meiner Kunden, dass ihre ERP-Bildschirme wie reine Textterminals aussehen – schlicht schwarz-weiß, reiner Text. Sie meinten: “Oh, wir müssen wirklich etwas unternehmen.”
Joannes Vermorel: Dem stelle ich mich entgegen, denn wenn ich mir diese Terminals anschaue, die aussehen, als wären wir wieder in den frühen 80ern oder späten 70ern, sehe ich, dass die Leute sie nutzen und sie sind super schnell und unglaublich reaktionsschnell. Der Bildschirm ist ultra-minimalistisch und zeigt nur wenige Befehle, die man auswendig kennen muss – aber das war’s. Es gibt keinerlei Ablenkung; es ist rein utilitaristisch. Die Leute erzielen damit eine unglaubliche Produktivität. Ja, es sieht schlichtweg schlecht aus, aber es ist hoch wartbar, weil es buchstäblich keine Abhängigkeiten gibt – und schon gar keine von Webbrowsern, die sich ständig ändern.
Wenn man sich sowohl den ältesten Teil der supply chain als auch den fortschrittlichsten Teil des Hochfrequenzhandels im Finanzsektor anschaut, stellt man fest, dass die Benutzeroberflächen ähnlich sind. Wenn man diese quantitativen Trader betrachtet, die super fortschrittliche Systeme verwenden, sieht ihre UI wieder aus wie ein Textterminal. Es ist irgendwie bizarr – diese Leute sind absolut auf dem neusten Stand der Technik, und dennoch wirkt ihre UI völlig veraltet. Es ist das Gegenteil von dem, was man sich von den Benutzeroberflächen in Hollywood-Filmen vorstellen würde.
Kieran Chandler: Es erscheint ziemlich frustrierend, weil jeder die neuesten Technologien verwenden möchte. Sagen Sie also, dass ein Produkt, das sehr wartbar ist, letztlich bedeutet, dass man nicht wirklich am Puls der Zeit sein kann?
Joannes Vermorel: Wenn Sie in puncto Wartbarkeit am Puls der Zeit sind, warum nicht? Ich behaupte nicht, dass wir in diesem Bereich keinen Fortschritt erzielt haben – das haben wir. Es ist nur so, dass es einfach keinen Wow-Effekt auslöst. Wenn Sie sehr saubere Versionsstrategien haben und die Komponenten, die Sie auswählen, interessante Philosophien verfolgen, wie zum Beispiel Flexibilität oder den Einsatz von Softwarekomponenten, bei denen Wartbarkeit im Vordergrund steht, ist das großartig.
Es gibt einige Komponenten, die wir verwenden und die Open-Source-Komponenten sind – und genau diese Philosophie verkörpern. Es heißt, es gäbe ein Manifest: Dieses Problem wird seit 20 Jahren untersucht, und wir sind zu dem trade-off gekommen, von dem wir glauben, dass es in Bezug auf Design das Beste ist. Nun, alles, was wir je mit dieser Komponente machen werden, ist ordentliche Wartung, um sicherzustellen, dass es in puncto Sicherheit keine gravierenden Probleme gibt.
Kieran Chandler: In Bezug auf Kompatibilität gibt es keine zufälligen Probleme, und wir werden uns nicht ständig neu erfinden. Also sagen Sie, dass es enttäuschend ist – das Gegenteil von Innovation. Aber brauchen Sie auf jeder Ebene Ihrer Software Innovation? Werden Sie ständig den Umgang mit Ihrem Kalender oder die Methode, Passwörter zu speichern, neu erfinden – es sei denn, es gibt einen kryptografischen Angriff, der ein Upgrade erzwingt? Sie möchten Dinge wählen, bei denen Sie bereits Stabilität haben.
Joannes Vermorel: Softwareentwicklung ist keine neue Disziplin. Wir haben etwa 50 Jahre Geschichte, aus der wir lernen können. Aber das Problem ist, dass Kunden oder Interessenten dem keine Beachtung schenken und naive Fragen stellen wie: “Werdet ihr noch da sein?” statt “Was ist euer Anreiz, wirklich dafür zu sorgen, dass eure Software wartbar ist, anstatt das Gegenteil zu tun, damit ich eure nächste Lizenz kaufe?”
Kieran Chandler: Worauf sollte der supply chain Praktiker also achten? Welche Hinweise gibt es darauf, dass eine Software sehr wartbar ist, im Vergleich zu einer Software, die vielleicht etwas altmodisch ist und bei der die Leute einfach faul sind?
Joannes Vermorel: Zunächst würde ich sagen, schauen Sie auf die Anreize – denn es ist nicht so technisch. Zum Beispiel, wenn Sie eine Lizenz kaufen oder Ähnliches, bei dem der Anbieter hohe Implementierungsgebühren verlangt, bedeutet das, dass sich seine Einnahmen zu Beginn des Projekts konzentrieren. Was danach passiert, ist einfach weniger vom Gleichen – ein buchstäblicher Abwärtstrend. Der Anbieter hat einen strukturellen Anreiz, diese hohen Implementierungsgebühren so oft wie möglich zu wiederholen.
Schauen Sie nun auf Lokad. Wir verlangen eine monatliche Gebühr ohne Verpflichtung, und in der Regel erreichen wir nach zwei Jahren die Gewinnzone. Die Wartbarkeit ist im Grunde eine Pauschale, sodass die Kosten für die Wartbarkeit Lokads Marge auffressen. Als ich Lokad positionierte, entschied ich, dass wir selbst Haut im Spiel haben – dass wir den Preis für unwartbare Software zahlen, und das gibt uns einen massiven Anreiz, etwas Wartbares zu schaffen. Es gibt kein Geld zu verdienen, und ganz im Gegenteil: Als Anbieter gibt es Geld zu verlieren, wenn es nicht wartbar ist.
Eine monatliche Abonnementgebühr, bei der sichergestellt wird, dass Ihr Anbieter zu Beginn Geld verliert, ist also ein sehr guter, gesunder Anfang, der das Problem in den Rahmen setzt und somit für Wartbarkeit sorgt. Und außerdem möchten Sie sicherstellen, dass der Anbieter die Wartung seiner eigenen Software übernimmt – was im Grunde genommen das Konzept von Software as a Service (SaaS) ist. Wenn sie unwartbar ist, ist es in erster Linie ein Problem des Anbieters und nicht Ihres Unternehmens.
Kieran Chandler: Wenn es um die supply chain Software geht, sehe ich oft Folien und PowerPoint-Präsentationen von Wettbewerbern, die alle Bestandteile ihrer Lösung zeigen. Es sieht so aus, als hätten sie 20 super anspruchsvolle, komplexe Unterkomponenten – wie TensorFlow, Apache Spark, Kafka, MongoDB, React, Redux und viele mehr. Sie behaupten, sie seien auf dem neuesten Stand der Technik, aber wenn ich das sehe, denke ich, dass es ein Albtraum sein wird, sie zu warten. Jede Komponente hat ihren eigenen Lebenszyklus, und es gibt keine Garantie, dass sie langfristig zusammenarbeiten. Können Sie Beispiele nennen, bei denen Sie auf unwartbare Software gestoßen sind und welche Probleme daraus entstanden sind?
Joannes Vermorel: Auf der Symptomebene erkennt man es daran, dass, wenn die Leute die Software aufgeben, sie stattdessen zu Microsoft Excel und Tabellenkalkulationen greifen, um supply chains zu verwalten. Es ist nicht so, dass große Unternehmen keine supply chain Systeme gekauft haben; möglicherweise haben sie in den letzten Jahrzehnten sogar drei davon erworben. Diese Systeme verfügen über komplexe Forecasting-, replenishment, Sortimentsoptimierungs- und promotion Management-Module. Allerdings treten nach der anfänglichen, vom Anbieter unterstützten Implementierung immer wieder Probleme auf. Mit der Zeit häufen sich diese Probleme, und das System wird schwerer wartbar.
Kieran Chandler: Was passiert also, wenn sie die Software aufgeben?
Joannes Vermorel: Wenn die Leute die Software aufgeben, verwerfen sie sämtliche Funktionen und greifen stattdessen auf Excel-Tabellen zurück. Sie entscheiden sich, ihre Schlachten auszuwählen und konzentrieren sich auf nur ein einziges Merkmal – den Export von Daten in eine Excel-Tabelle. Sie geben ihre Hoffnung auf, sonst noch etwas funktionierend zu bekommen, außer der Excel-Export-Funktion.
Kieran Chandler: Tabellenkalkulationen – und das ist eine Geschichte, die ich in Dutzenden von Unternehmen gesehen habe. Es sind buchstäblich die Symptome einer Lösung, die völlig unwartbar geworden ist.
Joannes Vermorel: Also, wenn wir heute zusammenfassen, lautet die Kernbotschaft: Nicht alles, was glänzt, ist wirklich Gold, und wir sollten vielleicht ein wenig vorsichtig sein mit Unternehmen, die mit auffälligen UI-Oberflächen aufwarten, da in Zukunft Probleme mit der Wartbarkeit auftreten könnten. Ich meine, nochmals, ich behaupte nicht, dass eine miese Benutzeroberfläche eine Lösung ist. Wenn Sie es mit einem Anbieter zu tun haben, dessen Lösung aussieht, als stamme sie aus den 90ern, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass sie bereits so unwartbar ist, dass der Anbieter es nicht einmal geschafft hat, seine UI zu aktualisieren. Es gibt also keine strenge Regel, aber mein Rat lautet: Hinterfragen Sie selbst interne Entwicklungen und hausinterne Software. Fordern Sie die Verantwortlichen in der Entwicklung heraus. Was ist Ihr Plan für Wartbarkeit? Welche zentralen Designentscheidungen treffen Sie jetzt, um sicherzustellen, dass Ihre Software wartbar bleibt? Und nochmals: Wenn die Verantwortlichen keine präzise Vision davon haben, wie ihre Designentscheidungen die zukünftige Wartbarkeit der Software beeinflussen, können Sie als Faustregel davon ausgehen, dass die Software unwartbar sein wird – denn das ist der Standardstatus von Produkten, die in dieser Branche entwickelt werden, ohne der Wartbarkeit die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Sie ist per Definition unwartbar.
Kieran Chandler: Okay, wir machen Schluss für diese Woche. Das war alles. Vielen Dank fürs Einschalten, und wir sehen uns in der nächsten Episode wieder. Danke fürs Zuschauen.