Abmilderung von Lieferantenfehlbeständen
Die meisten Prozesse der Lagerbestandsoptimierung sind ungenau, da die Neigung der Lieferanten, einen Fehlbestand zu erleiden, nicht modelliert wird. Diese Vereinfachung erleichtert die Analyse erheblich, und solange die Lieferanten Service Levels haben, die wesentlich höher sind als die Ziel-Servicelevels des nachgelagerten Einzelhändlers, sind die Verzerrungen in der Lagerbestandsanalyse minimal. Allerdings, wenn der Einzelhändler Service Levels anstrebt, die höher sind als die seines Lieferanten, dann wird es komplizierter und auch in Bezug auf den Lagerbestand deutlich teurer.
Aus einer reinen Bestandskontrolle-Perspektive, verbunden mit den Quantil-Prognose-Erkenntnissen, unter der Annahme, dass nur ein einziger Lieferant verfügbar ist, besteht der korrekte Weg, Lieferantenfehlbestände zu modellieren, darin, die Durchlaufzeit anzupassen. Denn wenn der Bestand beim Lieferanten nicht sofort verfügbar ist, muss der Einzelhändler warten, bis der Lagerbestand erneuert wird, um seine nächste Auffüllung in Gang zu setzen. Folglich entspricht die anwendbare Durchlaufzeit nicht mehr lediglich der Bestellverzögerung zuzüglich der Versandverzögerung, sondern dem Ganzen plus der eigenen Durchlaufzeit des Lieferanten.
Häufig ist in der Praxis jedoch die Durchlaufzeit des Lieferanten wesentlich länger als die typische Durchlaufzeit des Einzelhändlers. Solche Situationen treten beispielsweise auf, wenn der Lieferant ein Großhändler ist, der aus Asien importiert. Unter diesen Umständen erweist sich der Versuch, ein Service Level zu erreichen, das dem des Lieferanten entspricht oder darüber liegt, als kostspielig, da sich die Durchlaufzeit um ein Vielfaches erhöhen kann, um mit der des Lieferanten übereinzustimmen. Infolgedessen ist es nicht selten, dass der Bestand mehr als verdoppelt werden müsste – eine direkte Folge dieser Durchlaufzeiterhöhung.
Ein typischer Weg, Lieferantenfehlbestände abzumildern, ohne auf drastische Bestandsaufstockungen zurückzugreifen, besteht darin, eine gewisse Redundanz einzuführen, entweder im Angebot selbst oder durch die Diversifizierung der Lieferanten.
Redundanz im Angebot tritt auf, wenn einige der verkauften Güter einander so ähnlich sind, dass sie als Substitute betrachtet werden können. Das Vorhandensein von Substituten, selbst wenn sie unvollkommen sind, mildert die Fehlbestände des Lieferanten – ebenso wie die Fehlbestände des Einzelhändlers – indem der Schaden reduziert wird, da ein bestimmter Anteil der Nachfrage auf die Ersatzprodukte umgeleitet werden kann, wenn das eigentliche Produkt fehlt. Ein Nachteil dieses Ansatzes besteht darin, dass es häufig – sofern nicht bei nahezu perfekten Substituten – schwierig einzuschätzen ist, ob zwei unterschiedliche Produkte von den Kunden tatsächlich als gleichwertige Substitute wahrgenommen werden. Idealerweise würde dies eine eigene statistische Analyse erfordern. Außerdem kann ein Übermaß an Substituten das Angebot überladen und es für die Kunden letztlich weniger attraktiv machen.
Redundanz auf der Lieferantenseite beinhaltet typischerweise sekundäre Lieferanten, die zu höheren Preisen verkaufen, weil die Gesamtbestellmengen kleiner sind. Diese Lieferanten dienen als Backup, falls die primären Lieferanten die Produkte nicht sofort liefern können. Der Hauptvorteil dieses Ansatzes liegt in einem zusätzlichen Angebot genau des Produkts, das die Kunden suchen. Ein möglicher wesentlicher Nachteil besteht in der Korrelation zwischen den Bestandsniveaus der verschiedenen Lieferanten. Einfach ausgedrückt: Wenn ein Lieferant bei einem bestimmten Artikel ausverkauft ist, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Marktnachfrage nach dem Produkt überraschend hoch war und folglich die meisten anderen Lieferanten ebenfalls ausverkauft sind (oder es schon sind).