00:00:07 Einführung in das Thema und Valentina Carbone’s Hintergrund im Bereich supply chain management und Nachhaltigkeit.
00:01:19 Zunehmende Aufmerksamkeit für Nachhaltigkeit in supply chains.
00:02:26 Unternehmen optimieren entweder für Effizienz oder Umwelt.
00:03:40 Die Nachhaltigkeit der aktuellen supply chains wird in Frage gestellt.
00:06:38 Schädliche Praktiken und komplexe technozentrische Lösungen.
00:08:02 Globaler Bedarf an Intelligenz; Israels Fallbeispiel der Wassertechnologie.
00:09:57 Der Einfluss von Technologie auf große Investitionen und die Umwelt.
00:10:57 Öffentlicher Diskurs über den Schwung des Klimawandels.
00:12:31 Der Einfluss des Collapseology-Konzepts auf das Klimahandeln.
00:14:08 Plastikverschmutzung in den Ozeanen; Fokus verschieben.
00:16:05 Umweltbezogene Symptome leiten Entscheidungen und Handlungen.
00:17:45 Die Rolle von Individuen und Unternehmen im Umweltwandel.
00:19:16 Unternehmen müssen eine natürliche Umweltnachhaltigkeit fördern.
00:21:10 Vorhersage des Nachhaltigkeitsansatzes der nächsten Generation.
00:23:43 Die Rolle der Technologie in der Umweltnachhaltigkeit.

Zusammenfassung

Moderator Kieran Chandler führte ein Gespräch über die Nachhaltigkeit in supply chains mit Valentina Carbone von ESCP Europe und Joannes Vermorel von Lokad. Sie diskutierten die Rolle der Effizienz in supply chains, das Potenzial für unbeabsichtigte Folgen bei Nachhaltigkeitsbemühungen und die Bedeutung, breitere Auswirkungen zu berücksichtigen. Carbone hob die Notwendigkeit eines systemischen Ansatzes hervor, der von einer schwachen hin zu einer starken Nachhaltigkeit wechselt und dabei Umwelt-, soziale und wirtschaftliche Aspekte umfasst. Vermorel betonte die Wichtigkeit einer natürlichen Verhaltensausrichtung im Systemdesign sowie die konstruktive Rolle von “corporate greed” zur Förderung der Effizienz. Beide drückten Optimismus für die Zukunft aus, da sie einen zunehmenden Bewusstseinswandel und eine Bewegung hin zu mehr Nachhaltigkeit sehen.

Erweiterte Zusammenfassung

Kieran Chandler, der Moderator, initiierte eine Diskussion mit Valentina Carbone, einer Professorin von ESCP Europe, und Joannes Vermorel, dem Gründer von Lokad, über Nachhaltigkeit in supply chains. Valentina teilte ihren akademischen Hintergrund mit, wobei ihr Schwerpunkt auf supply chain management, Nachhaltigkeit sowie den aufkommenden Bereichen der Kreislaufwirtschaft und Sharing Economy lag und wie diese Faktoren Gesellschaften und Unternehmen beeinflussen.

Joannes äußerte seine Beobachtungen im Laufe der Jahre und hob den Anstieg der Diskussionen über supply chains und Nachhaltigkeit in den Medien und Umfragen hervor. Er wies darauf hin, dass Unternehmen seit Jahrzehnten versuchen, ihre supply chains zur Reduktion von Abfall zu optimieren, doch der aktuelle Aufwand stellt eine Fortführung und Intensivierung dieser früheren Initiativen dar.

Valentina stimmte Joannes zu, dass effizienzgetriebene Maßnahmen seit Jahren im Bereich der supply chains vorhanden sind. Sie bemerkte, dass “grün sein” oft bedeutet, schlank zu sein, und umweltfreundliche Maßnahmen sich direkt positiv auf das Ergebnis auswirken können. Aufgrund der Spannungen rund um den Klimawandel sowie Überproduktion und -konsum hat es einen starken Anstieg der Investitionen in diesem Bereich gegeben. Valentina stellte ferner in Frage, ob ein rein auf Effizienz ausgerichteter Ansatz ausreiche, um diese Herausforderungen zu bewältigen.

Joannes beschrieb supply chains als komplexe Systeme, in die Menschen, Maschinen und Software einbezogen sind. Er befürchtete, dass das Einführen von Veränderungen in solche komplexen Systeme unbeabsichtigte Folgen nach sich ziehen könnte. Er plädierte für eine sorgfältige Planung, um potenzielle Fallstricke zu vermeiden, und führte als Beispiel den Elektronikmüll an, der trotz bester Absichten oft in Entwicklungsländern deponiert wird und erheblichen Umweltschäden verursacht.

Valentina wiederholte Joannes’ Warnung vor unbeabsichtigten Folgen von Nachhaltigkeitsbemühungen und verwies auf die technozentrische Kultur, in der ein Problem gelöst wird, ohne die umfassenderen Auswirkungen zu berücksichtigen, was möglicherweise zu weiteren negativen Ergebnissen führt. Sie erwähnte das Beispiel von Windturbinen als vermeintlich nachhaltige Lösung. Obwohl diese den CO2-Ausstoß reduzieren, erfordert ihre Produktion den Einsatz seltener, geopolitisch sensibler Materialien, die schwer zu recyceln sind, was weitere Umweltprobleme und supply chain-Probleme verursacht.

Joannes fügte ein Beispiel für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsmaßnahme hinzu. Er verwies auf die Arbeit israelischer Institute bei der Entsalzung von Meerwasser, die dazu führte, dass Israel – ein Land mit begrenzten Süßwasserressourcen – frisches Wasser exportieren konnte. Damit deutete er auf die Notwendigkeit eines umfassenderen, intelligenteren Ansatzes zur Bewältigung von Herausforderungen der supply chain-Nachhaltigkeit hin.

Anschließend verlagerte sich das Gespräch auf die aktuellen Umweltbedenken, die von Einzelpersonen und Gruppen wie Extinction Rebellion und Greta Thunberg vorangetrieben werden. Valentina Carbone, Professorin und Forscherin mit Schwerpunkt auf supply chain management, Wirtschaft und Nachhaltigkeit an der ESCP Europe, räumte ein, dass Klimainaktivität sowohl auf individueller als auch auf Unternehmensebene weit verbreitet war. Sie zitierte das Buch “Losing Earth” von Nathaniel Rich, das behauptet, dass wir seit Jahrzehnten über den Klimawandel und Umweltgefahren Bescheid wissen, aber es versäumt haben, ausreichend zu handeln.

Carbone wies darauf hin, dass der aktuelle Schwung zur Bekämpfung von Umweltkrisen potenziell als Hemmnis für Maßnahmen wirken kann, da geschlossene Gemeinschaften und ein Gefühl der Angst entstehen, das zu Untätigkeit führt. Sie verteidigte Greta Thunberg gegen Kritik und würdigte ihren einfachen, aber wirkungsvollen Aufruf an die Politiker, den Klimawandel anzugehen.

Anschließend verlagerte sich das Gespräch auf die Idee lokaler supply chains als potenzielle Lösung für die Zukunft. Vermorel betonte die Notwendigkeit, unbeabsichtigte Folgen und eigennützige Handlungen im Namen der Bekämpfung von Umweltkrisen zu vermeiden. Er veranschaulichte seinen Standpunkt anhand des Problems von Plastik in den Ozeanen und schlug vor, dass die eigentliche Ursache in einigen großen Flüssen, hauptsächlich in Asien, liegt und nicht in den Ozeanen selbst.

Carbone stimmte Vermorels Einschätzung zu und betonte, dass das Problem des Plastiks in den Ozeanen mehr mit dem End-of-Pipe-Ansatz zu tun hat. Sie beklagte die derzeitige übermäßige Abhängigkeit von Primärmaterialien in der Plastikproduktion, von denen nur 3% aus recyceltem Material bestehen.

Sie äußerte Skepsis hinsichtlich der Wirksamkeit individueller Maßnahmen und verwies auf Studien, die zeigen, dass diese den Umwelteinfluss bestenfalls um 2% reduzieren könnten. Trotz alledem hob sie die bedeutende Rolle individueller Handlungen bei der Förderung langfristiger Verhaltensänderungen hervor, insbesondere in Bezug auf konsumbezogene Gewohnheiten, die über Generationen hinweg weitergegeben werden.

Joannes Vermorel, Gründer von Lokad, vertrat eine unterschiedliche Ansicht. Er argumentierte, dass es ein fehlerhafter Ansatz sei, von Nutzern oder Konsumenten zu erwarten, ihr Verhalten zu ändern. Anhand eines Vergleichs mit Softwareunternehmen erklärte er, dass Software-Updates oft davon ausgehen, dass sich die Nutzer an neue Veränderungen anpassen, was sie in der Regel ablehnen. Vermorel schlug eine Alternative vor, die “Fallgrube des Erfolgs”, bei der die Menschen aufgrund der Strukturierung des Systems ganz natürlich in die richtige Richtung tendieren, ohne bewusste Anstrengung.

Im weiteren Verlauf dieses Themas betonte Vermorel, wie wichtig es ist, Systeme zu entwerfen, die sowohl für Personen, die von Natur aus zu nachhaltigem Verhalten neigen, ansprechend als auch resilient gegenüber gegnerischen Verhaltensweisen sind. Er wies darauf hin, dass ein kleiner Prozentsatz von Individuen aus verschiedenen Gründen in einer Weise handeln könnte, die der Umweltnachhaltigkeit schadet. Die Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass solche Verhaltensweisen kollektive Bemühungen nicht untergraben.

Mit Blick auf die Zukunft drückte Carbone ihr Vertrauen in die Fähigkeit der kommenden Generation aus, sich anzupassen und ihren Ansatz in Richtung Nachhaltigkeit zu ändern. Sie erwartete einen kulturellen Wandel, angetrieben durch menschliche Intelligenz und die Notwendigkeit, den Planeten zu erhalten. Gleichzeitig betonte sie den dringenden Bedarf, von einem schwachen Nachhaltigkeitsansatz – der durch ein trade-off Spiel zwischen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten gekennzeichnet ist – zu einem starken Nachhaltigkeitsansatz überzugehen. Hierbei werden diese Aspekte als ineinander verschachtelt betrachtet, wobei die Umwelt die äußerste Schicht darstellt.

Im letzten Abschnitt des Interviews äußerte Vermorel die Hoffnung, dass zukünftige Generationen nicht aufgrund der Fehler der aktuellen Generation einen größeren Schwerpunkt auf Umweltschutz legen müssten. Er sprach über die Arbeit von Lokad bei der Entwicklung hocheffizienter Optimierungssysteme, die darauf zugeschnitten werden können, verschiedene Faktoren wie CO2-Emissionen zu optimieren. Er bekundete seinen Glauben an das konstruktive Potenzial von “corporate greed”, um Effizienz und Rentabilität voranzutreiben und so zur Umweltnachhaltigkeit beizutragen.

Carbone erteilte das Schlusswort und drückte den Glauben aus, dass die Gesellschaft einen Wendepunkt in Bezug auf Nachhaltigkeit erreicht hat. Obwohl sie zugab, dass sich noch nicht genug verändert hat, war sie optimistisch hinsichtlich der Energie und des Engagements, die sie auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Welt sieht.

Vollständiges Transkript

Kieran Chandler: Heute freuen wir uns, Valentina Carbone, eine Professorin von ESCP Europe, begrüßen zu dürfen. Wir werden darüber diskutieren, ob dieser Druck in die Welt der supply chains eingedrungen ist und ob Unternehmen ihre Betriebsabläufe ändern, um umweltfreundlicher zu agieren. Also, Valentina, vielen Dank, dass du heute bei uns bist. Kannst du uns zu Beginn mehr über deinen Hintergrund und deine Forschungsinteressen erzählen?

Valentina Carbone: Vielen Dank, dass ihr mich eingeladen habt. Zunächst einmal, wie erwähnt, bin ich Professorin an der ESCP Europe, wo ich mich auf Lehre und Forschung in zwei Hauptbereichen konzentriere: supply chain management und nachhaltigkeitsbezogene Themen. In den letzten Jahren habe ich besonderes Interesse an der Kreislaufwirtschaft und der Sharing Economy entwickelt sowie an deren Auswirkungen auf Gesellschaften und Unternehmen. Zusätzlich leite ich gemeinsam einen Lehrstuhl, der von Deloitte im Bereich Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Geschäftsmodelle gefördert wird. Diese Schlüsselwörter – Nachhaltigkeit, supply chain, Kreislaufwirtschaft – prägen maßgeblich meine Identität in Forschung und Lehre.

Kieran Chandler: Fantastisch. Unser Thema heute ist Nachhaltigkeit in supply chains. Also, Joannes, was hast du in den letzten Jahren beobachtet?

Joannes Vermorel: Nun ja, wie alle anderen habe ich einen Aufschwung dieser Themen in den Medien und auch in professionellen supply chain-Diskussionen bemerkt. Für mich war es eher ein kontinuierlicher Prozess. Industriebetriebe, Einzelhändler, Großhändler – sie versuchen seit Jahrzehnten, ihre supply chains, vor allem aus Gründen der Rentabilität, zu optimieren. Die Minimierung von Abfall war ein zentrales Anliegen, und ich sehe den aktuellen Fokus als eine Fortsetzung, vielleicht sogar als Intensivierung dieser Bemühungen, die lange vor ihrer medialen Aufmerksamkeit begannen.

Kieran Chandler: Stimmst du dem zu? Würdest du sagen, dass Unternehmen so effizient wie möglich arbeiten, oder maximieren sie ihre Gewinne auf Kosten der Umwelt?

Valentina Carbone: Zunächst einmal stimme ich zu, dass effizienzgeleitete Maßnahmen seit Jahren, insbesondere im Bereich der supply chains, präsent sind. Untersuchungen haben gezeigt, dass ‘grün werden’ oft bedeutet, schlank zu sein. Umweltfreundliche Maßnahmen können einen direkten, positiven Einfluss auf das Ergebnis haben. Was den Effizienzteil und die operativen Entscheidungen betrifft, stimme ich also zu, dass Unternehmen ihre Abläufe verbessern. Es ist jedoch unklar, ob sie dies im Interesse ihres Ergebnisses oder zum Schutz des Planeten tun, aber es gibt sicherlich einen deutlichen Anstieg der Investitionen in diesem Bereich. Angesichts der aktuellen Bedenken hinsichtlich des Klimawandels sowie von Überproduktions- und Überkonsum-Modellen müssen wir jedoch fragen, ob ein rein auf Effizienz ausgerichteter Ansatz ausreicht.

Kieran Chandler: Glaubst du, dass die Art und Weise, wie wir unsere supply chains derzeit betreiben, für die Zukunft nachhaltig ist?

Joannes Vermorel: Meine Perspektive ist weniger ambitioniert. Supply chains sind komplexe Systeme, zusammengesetzt aus Menschen, Maschinen und Software – und damit beschäftigen wir uns bei Lokad ständig. Bei solch einem System muss man vorsichtig sein, Veränderungen einzuführen, die nicht zu einer Vielzahl unbeabsichtigter Folgen führen. Es ist entscheidend sicherzustellen, dass Bemühungen, etwa CO2-Emissionen zu reduzieren, nicht unabsichtlich die Situation verschlimmern. Und was die Frage der Nachhaltigkeit betrifft: Ich hoffe es. Ich möchte, dass meine Kinder so komfortabel leben wie ich, wenn nicht besser. Aber ich sorge mich davor, vorschnell oberflächlich attraktive Lösungen zu verfolgen, die, wenn sie in einem komplexen System angewendet werden, nach hinten losgehen könnten. Wir müssen vorsichtig sein, was wir uns wünschen.

Valentina Carbone: Ich möchte daran anknüpfen, denn ich denke auch, dass es viele unbeabsichtigte Konsequenzen gibt. Das liegt nicht nur daran, dass wir die Komplexität der Systeme, in die wir Verbesserungen und Innovationen einführen müssen, unterschätzen. Oft besteht ein starker technozentrischer Bias. Nehmen wir zum Beispiel die Windenergie, die als Alternative zu CO2-Emissionen präsentiert wird. Zwar schneiden wir in einigen Bereichen der CO2-Emissionen besser ab, doch diese großen Geräte werden aus seltenen Erden gefertigt, die wir nicht in ausreichendem Maße besitzen, was geopolitische Probleme aufwirft, die die Stabilität unserer supply chains und deren Umweltauswirkungen gefährden können. Zudem sind sie schwer zu recyceln. Windturbinenblätter beispielsweise bestehen aus Verbundwerkstoffen, die schwer zu recyceln sind.

Kieran Chandler: Du hast Elektronikmüll erwähnt. Welche Aktivitäten hast du als besonders schädlich beobachtet und wer sind die Hauptverursacher?

Joannes Vermorel: Was den Elektronikmüll betrifft, so wissen wir, dass er den größten Handelsbestandteil von Abfall weltweit darstellt, von dem ein Großteil in Ländern wie Indien und China deponiert wird. Wir müssen uns der unbeabsichtigten Nebenwirkungen bewusst sein, was eine Herausforderung darstellt, wenn man es mit intelligenten Menschen und immer intelligenterer Software zu tun hat. Die Bewältigung dieser Probleme erfordert, dass wir die letztendlichen Konsequenzen jeder Handlung berücksichtigen. Selbst bei den besten Absichten reichen diese bei komplexen Systemen nicht aus – wir brauchen funktionierende Lösungen.

Kieran Chandler: Also, die unbeabsichtigte Folge ist in gewisser Weise das Ergebnis einer technozentrischen Kultur, in der ein Problem gelöst wird, ohne die potenziellen Auswirkungen auf andere Bereiche zu berücksichtigen. Man könnte nämlich das Problem verlagern oder andere negative Konsequenzen schaffen. Wir brauchen definitiv mehr globale Intelligenz. Joannes, möchtest du dazu näher darauf eingehen?

Joannes Vermorel: Lustig, dass du das erwähnst. Vor etwa 20 Jahren galt der Zugang zu Frischwasser als ein bedeutendes Problem. Vor ungefähr einem Jahrzehnt gelang es allerdings mehreren Instituten in Israel, die Entsalzungstechniken erheblich zu verbessern. Jetzt exportiert Israel – ein nahezu wüstenhaftes Land – Frischwasser. Das ist ein ziemlicher Kontrast zu vor 20 Jahren, als sie nicht genügend Wasser für sich hatten. Heute ist die Technologie so erschwinglich, dass sie es tatsächlich exportieren, obwohl sie Energie verbraucht. Aber wenn man Frischwasser produziert, kann man Solarenergie nutzen. Es spielt keine Rolle, wenn man es nur tagsüber produziert, da es sich leicht speichern lässt. Also ist es ein idealer Fall für erneuerbare Energien.

Was ich sagen möchte, ist, dass sich die Menschen vor 20 Jahren große Sorgen um den Zugang zu Frischwasser machten, was zu möglicherweise fehlgeleiteten groß angelegten Investitionen führte. Einige dieser Investitionen könnten letztlich einen Nettoverlust für die Umwelt dargestellt haben, weil der Bau großflächiger Infrastrukturen wie Dämme nicht umweltfreundlich ist.

Das hängt mit dem Problem der supply chain-Probleme zusammen. Wenn du versuchst, ein supply chain-Problem durch groß angelegte Investitionen zu lösen, die Auswirkungen auf die Umwelt haben, und dann der technologische Fortschritt deine Infrastruktur obsolet macht, ist das problematisch. Das ist besonders relevant, wenn der Zeitrahmen für globales Handeln – sei es durch politische Mittel oder NGOs – ein mehr Jahrzehnte umfassender Aufwand ist. Mein Rat wäre, sicherzustellen, dass alles, was unternommen wird – durch politische Instanzen oder private Konsortien – auch in einem Jahrhundert noch Sinn ergibt. Andernfalls könnte man am Ende eine Vereinbarung haben, die in zehn Jahren hinfällig ist, begleitet von vielen schlechten Investitionen.

Kieran Chandler: Lass uns darauf aufbauen. Würdest du sagen, dass es momentan eine Art Trend oder Modeerscheinung ist? Jeden Tag sehen wir Greta Thunberg und Extinction Rebellion in den Nachrichten. Würdest du sagen, dass es aktuell ein bisschen ein Hype ist, und warum gerade jetzt?

Valentina Carbone: Seit Jahrzehnten beobachten wir auf verschiedensten Ebenen – von Individuen bis hin zu Unternehmen – Untätigkeit beim Klima. Es fällt uns schwer, katastrophale Szenarien auf persönlicher Ebene zu akzeptieren, weil unser Gehirn nicht darauf ausgelegt ist, in solchen Begriffen über die Zukunft nachzudenken. Auf Unternehmensebene gibt es viel Stillstand; einige Unternehmen schreiten voran, während andere im Hintergrund mit massiver Lobbyarbeit agieren.

Betrachte das Buch “Losing Earth” von Nathaniel Rich, in dem er erklärt, dass wir zwischen 1979 und 1989 bereits alles wussten, was wir heute über den Klimawandel und Umweltgefahren wissen. Wir waren fast an dem Punkt, an dem wir diese Probleme in Angriff nehmen wollten, aber dann drehte sich auf politischer und unternehmerischer Ebene alles um.

Aber dennoch gibt es jetzt Dynamik. Diese Dynamik kann jedoch auch ein Hindernis für Maßnahmen sein. Einer der Hauptansätze zur Bewältigung der Umweltkrise und des Klimawandels ist die Kollapsologie, die Lehre vom Ende der Welt, wie wir sie kennen. Nobelpreisträger Krutsen warnt, dass wir unsere geologische Epoche, das Holozän, hinter uns lassen und ins Anthropozän eintreten – eine Ära, in der menschliche Aktivitäten so großen Einfluss haben, dass die Natur heftig reagiert. Doch dieser katastrophale Ansatz kann auch ein Hebel für Untätigkeit sein, für die Schaffung geschlossener Gemeinschaften oder von Angst. Angst kann zu Inaktivität führen.

Was Greta Thunberg betrifft, wurde sie stark kritisiert. Ich finde das beschämend. Sie ist ein kluges junges Mädchen, das lediglich die Zusammenfassung des IPCC-Berichts gelesen hat und unsere Politiker dazu aufruft, ebenso zu handeln und Maßnahmen zu ergreifen, um dieser katastrophalen Situation entgegenzuwirken. Was sie in ihrem Alter erreicht hat, ist beeindruckend.

Kieran Chandler: Darüber kann ich mich nicht mehr anlehnen. Wenn wir die Diskussion auf lokale supply chains verlagern, siehst du das als Lösung für die Zukunft? Kannst du dir vorstellen, dass Menschen so handeln?

Joannes Vermorel: Es ist essenziell, unbeabsichtigte Folgen zu vermeiden. Wie kann man also etwas unternehmen, ohne dass am Ende Menschen Strukturen um den Katastrophismus aufbauen? Wie gelangt man in die Situation, dass Gelder primär dazu genutzt werden, sich selbst zu pushen und ihre Perspektive noch dominanter zu machen? Nehmen wir zum Beispiel das Plastik in den Ozeanen. Ich habe gesehen, dass es zahlreichen ozeanbezogenen Laboratorien gelingt, enorme Mittel einzuwerben, um dieses Problem zu untersuchen und zu lösen. Es ist ziemlich schlimm, wenn Megatonnen von Plastik in den Ozeanen landen. Analysiert man jedoch die Ursachen, stellt man fest, dass 80% davon von nur einer Handvoll Flüsse in Asien stammen. Betrachtet man die 40 größten Flüsse, tragen sie 99% des Plastiks bei. Das Problem liegt also nicht grundsätzlich im Ozean, sondern in den Flüssen, die das Plastik dorthin transportieren.

Valentina Carbone: Ich würde darauf aufbauen. Das Problem ist auch, dass wir nur im Sinne des End-of-the-pipe-Ansatzes denken.

Kieran Chandler: Der End-of-the-pipe-Ansatz, sei es in China oder in Europa. Wie hoch ist der Anteil an Neumaterial, einschließlich all des von uns produzierten Plastiks?

Joannes Vermorel: Genau. Es sind 97%. Wir verwenden recyceltes Material nur zu einem Anteil von 3%, um Plastik herzustellen.

Kieran Chandler: Also ist es super langsam und super gering.

Joannes Vermorel: Ja, das ist korrekt. Aber was ich hervorheben wollte, ist, dass das Problem bei Lösungen liegt, die sich ausschließlich auf den Ozean konzentrieren, weil dort die Verschmutzung am sichtbarsten ist. Es ist ein Symptom. Worauf wir achten müssen, ist die Neigung, vom Katastrophismus getrieben zu werden.

Valentina Carbone: Ich stimme zu. Besonders wenn man Maßnahmen wie New Yorks Investitionen in den Bau von Dämmen rund um die Stadt bedenkt. Diese erwiesen sich als weniger nützlich, da ihre Probleme eher mit Stürmen zusammenhängen als mit steigendem Meeresspiegel. Es handelt sich hierbei um ein Extremwetter-Problem, das sich in Art und Natur deutlich vom Meeresspiegelanstieg unterscheidet.

Joannes Vermorel: Das stimmt. Was ich sagen möchte, ist, dass der Katastrophismus zu intensiven Maßnahmen an den Symptomen führen kann. Obwohl das nicht grundsätzlich schlecht ist, ist es wenig produktiv und nutzt die vorhandenen Ressourcen nicht optimal. Oft erkennen die Menschen nicht, dass supply chains im Grunde ein Spiel sind, in dem Ressourcen begrenzt sind. Wir müssen das Beste aus dem machen, was wir haben.

Kieran Chandler: Wir haben hier viel über Unternehmen gesprochen. Liegt also die ganze Schuld und Last bei den Unternehmen, oder gibt es auch Dinge, die wir als Konsumenten tun können? Wie groß kann deren tatsächlicher Einfluss sein?

Valentina Carbone: Die Veränderung muss systemisch erfolgen. Jeder muss in seinem eigenen Bereich seinen Teil beitragen – sei es als Staat, Unternehmen, Individuum oder NGO. Studien zeigen jedoch, dass individualbasiertes Handeln den Umwelteinfluss bestenfalls um nur 2% verringern kann. Wenn wir das Versorgungssystem nicht umgestalten, werden wir schnell ein Plateau erreichen. Wichtig beim individuellen Handeln ist, dass wenn du die Last übernimmst, etwas für den Planeten zu tun, das Bewusstsein geschärft wird – aus pädagogischen Gründen, was zählt. Das könnte bedeuten, dass zukünftige Generationen in einem Konsumparadigma leben werden, das sich von unserem und dem unserer Eltern unterscheidet, die nach den Weltkriegen das Bedürfnis verspürten zu konsumieren und zu überkonsumieren.

Kieran Chandler: Aber wenn ein größerer Teil der Verantwortung bei den Unternehmen liegt, kann man ihnen immer vertrauen, dass sie das Richtige tun? Immerhin sind ihre Aktionäre in erster Linie an Rentabilität interessiert.

Joannes Vermorel: Meine eigene Auffassung in dieser Hinsicht ist eine andere. Ich denke, wir gehen das Problem aus der falschen Perspektive an. In Softwareunternehmen haben wir beispielsweise gelernt, dass es nicht effektiv ist, von den Nutzern zu erwarten, dass sie ihre Gewohnheiten ändern. Es ist, als würde man ein komplettes Software-Upgrade durchführen, alles verändern und dann erwarten, dass die Leute alles neu lernen. Die Menschen hassen das und leisten Widerstand. Stattdessen müssen wir die richtige Richtung zum Weg des geringsten Widerstands machen, sodass die Menschen sich ganz natürlich darauf zubewegen, ohne einen bewussten Aufwand betreiben zu müssen. Dieser Ansatz macht das System auch widerstandsfähig gegen gegnerisches Verhalten. Selbst mit den besten Absichten wird es immer einen kleinen Prozentsatz an Menschen geben, die – aus welchen Gründen auch immer – aktiv versuchen, das System zu stören oder gar zu zerstören. Wir müssen dafür planen.

Kieran Chandler: Warum? Weil sie verrückt sind. Weil sie eine seltsame Agenda haben. Was auch immer der Grund ist, spielt keine Rolle. Fakt ist, dass es in jeder menschlichen Gesellschaft – aus welchen Gründen auch immer – Rebellen gibt, und ich will hier keine moralische Aussage treffen. Ich sage nur, dass egal, was du für normal hältst, es immer einen kleinen Prozentsatz geben wird, der nicht zustimmt. Die Frage ist, wie du sicherstellst, dass dies nicht all deine Mühen zunichte macht.

Joannes Vermorel: Ja, aber was ist mit den 99%, die keinen Gegner haben? Natürlich möchte man es ihnen so einfach wie möglich machen, aber genau darin liegt die Falle des Erfolgs. Es sollte sie sanft in die richtige Richtung führen, für diejenigen, die von Natur aus geneigt sind, und zugleich widerstandsfähig gegenüber denen sein, die feindlich agieren.

Kieran Chandler: Okay, lass uns darauf aufbauen. Wie siehst du, dass sich die nächste Generation anpasst und ihre Herangehensweise ändert und wie passen sich die next generation supply chains an?

Valentina Carbone: Ich vertraue unseren Studierenden, unseren Kindern. Ich denke, dass ein kultureller Wandel bevorsteht, und ich bin überzeugt, dass letztlich die menschliche Intelligenz dafür zuständig ist, den Erhalt unseres Planeten sinnvoll zu gestalten. Ich sehe auch eine große Rolle für Experten, Berater, Akademiker und ähnliche Akteure, wenn es darum geht, das Paradigma zu verändern – weg von diesem sehr lockeren Konsens um nachhaltige Entwicklung, bei dem das Soziale, das Ökonomische und das Ökologische in einem Art Abwägungsspiel stehen.

Ich denke, es ist dringend notwendig, sich einer starken Nachhaltigkeitsstrategie zuzuwenden, bei der die drei Bereiche eng miteinander verflochten sind. Der äußere Bereich ist der Umwelt- und Ökologische; unser Planet kann uns nicht mehr unendlich aufnehmen. Dann folgt das Soziale und schließlich das Ökonomische. Natürlich ist das ein gewaltiger Wandel, denn was Unternehmen betrifft, leben wir im Zeitalter der Aktionäre.

Es gibt verschiedene Formen des Kapitalismus, aber bisher stand der Interessenausgleich zwischen sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten – das Label des Shareholder Value – ganz oben auf der Prioritätenliste und wurde den Managern, CEOs und Entscheidungsträgern eingebläut. Es gibt also wirklich ein Governance-Problem, sowohl für Unternehmen als auch für globale Wertschöpfungsketten, den Norden, den Süden und die Frage der Ungleichheit, die vorangetrieben werden muss.

Es ist Wunschdenken, aber ich glaube, dass der Übergang nicht stattfinden wird, wenn diese politischen Grundlagen nicht überdacht werden.

Kieran Chandler: Ja, stimmst du dem zu, Joannes? Glaubst du, dass zukünftige Generationen eine höhere Bedeutung und ein größeres Bedürfnis nach stärkerem Umweltschutz haben werden?

Joannes Vermorel: Ich hoffe es nicht. Zunächst würde ich das zwar bevorzugen, denn wenn sie ein größeres Bedürfnis hätten, würde das bedeuten, dass wir es kollektiv ziemlich vermasselt haben und sie den Schaden beheben müssen. Meine Hoffnung ist also, dass sie nicht allzu sehr auf die zukünftige menschliche Genialität angewiesen sein müssen, um ein Problem zu lösen, das meine Generation möglicherweise geschaffen hat. Aber das ist Wunschdenken.

Overall, at Lokad, we are trying to build efficient optimization systems. This sort of technology is agnostic about what you’re optimizing for. You can put whatever metrics you want as drivers for the optimization. If you want to optimize for CO2, you can optimize for CO2.

But as long as you don’t have such a technology, you don’t have the means to optimize anything. So first, we are trying to build is a very efficient technology. Then, what we put in this equation for optimization? I believe that will be a mix of regulation, good corporate greed, which from my perspective, having companies that are greedy and want to get better and more profitable is a good thing. That’s what drives more efficiency.

Kieran Chandler: Wir müssen langsam zum Abschluss kommen. Valentina, würdest du sagen, dass sich in puncto Nachhaltigkeit die Dinge verändert haben, dass sie sich derzeit wandeln? Würdest du sagen, dass wir auf dem richtigen Weg sind?

Valentina Carbone: Ich denke, wir stehen an einem Wendepunkt. Ich glaube nicht, dass sich die Dinge ausreichend verändert haben, aber ich sehe Energie – nicht fossile Energie, sondern menschliche Energie –, die in Bewegung ist, um den Wandel herbeizuführen.

Kieran Chandler: Ausgezeichnet, ein schöner, positiver Abschluss. Jedenfalls, vielen Dank euch beiden für eure Zeit.

Joannes Vermorel and Valentina Carbone: Danke.

Kieran Chandler: Das war also alles für diese Woche. Vielen Dank fürs Einschalten, und wir sehen uns beim nächsten Mal wieder. Danke fürs Zuschauen.